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Länder wollen nicht kooperieren
Der Digitalpakt Schule droht am Veto des Bundesrates zu scheitern
Am Montag meldete sich die Bildungsgewerkschaft GEW zu Wort. »Bildung kann sich die Blockadehaltung einiger Bundesländer nicht leisten. Es ist jetzt endlich an der Zeit, eine historische Fehlentscheidung zu korrigieren«, sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe in Frankfurt am Main. Es könne nicht sein, dass fünf Ministerpräsidenten die bereits ausgehandelte Bund-Länder-Vereinbarung zur Digitalisierung von Schulen kippen.
Die Angelegenheit ist politisch brisant und kompliziert zugleich - wie immer, wenn es um das Thema Föderalismus geht. Und beim Widerstand gegen den Digitalpakt handelt es sich nur vordergründig um egoistische Interessen einzelner Länder. Der Teufel steckt im Detail. Vergangene Woche hatte der Bundestag mit großer Mehrheit eine Grundgesetzänderung beschlossen, damit der Bund künftig selbst Geld in die Schulbildung stecken kann. Konkret geht es um das Aufweichen des Kooperationsverbotes, das Berlin seit 2006 untersagt, in die Schulpolitik der Länder hineinzuregieren.
Im Forschungsbereich wurde dieses damals von Union und SPD mit Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag durchgedrückte Kooperationsverbot bereits vor einigen Jahren aufgeweicht; im Schulbereich konnte sich der Bund bislang aber lediglich im Rahmen von Sonderprogrammen finanziell engagieren. Mit der Änderung des Grundgesetzartikels 104c sollte künftig der Bund in die Lage versetzt werden, Geld in den Schulbereich zu stecken. Artikel 104c sollte dahingehend geändert werden, dass der Bund berechtigt ist, Ländern und Kommunen im Bereich der regionalen Bildungsinfrastruktur Finanzhilfen zu gewähren.
Dagegen haben die Länder prinzipiell nichts; sie stoßen sich aber an den Änderungen von Artikel 104b, womit den Ländern vorgeschrieben werden soll, dass Finanzhilfen des Bundes in »jeweils mindestens gleicher Höhe durch Landesmittel für den entsprechenden Investitionsbereich zu ergänzen« sind. Im Klartext: Für jeden Euro, den der Bund künftig für Infrastrukturprojekte ausgibt, müssten die Länder einen Euro drauflegen.
Am vergangenen Wochenende machten die Ministerpräsidenten von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen ihre Ablehnung deutlich. Die Änderung des Artikels 104b greife, so die fünf Politiker in einem Gastbeitrag für die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«, zu sehr in die Länderhoheit ein. Sie werfen dem Bundestag vor, die Änderung des Artikel 104b an ihnen vorbei beschlossen zu haben. Diese Änderung, so Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), die die Bildungspolitik der unionsgeführten Länderministerien koordiniert, »hat uns alle überrascht«.
Auch Thüringens Kultusminister Helmut Holter (Linkspartei), derzeit Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), ist irritiert. »Das ist ein Kompromiss innerhalb des Bundestages, aber kein Kompromiss mit den Ländern«, sagte Holter am Dienstag. Die Regelung habe die Länder »kalt erwischt« und sei mit ihnen auch nicht besprochen worden. Der LINKE-Politiker warb allerdings bei seinen Amtskollegen dafür, der Vereinbarung zum Digitalpakt auf der KMK-Sitzung am Donnerstag zuzustimmen.
Dazu wird es aber wohl nicht kommen, denn der KMK-Beschluss muss einstimmig fallen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat jedoch bereits angekündigt, sein Land werde ein Veto einlegen. Die 5,5 Milliarden Euro (90 Prozent davon vom Bund, 10 Prozent von den Ländern - der Digitalpakt ist von der vom Bundestag beschlossenen 50/50-Regelung noch nicht betroffen), die den Schulen bis 2023 für flächendeckendes WLAN, Tablet-Computer oder Fortbildungen für Lehrkräfte zur Verfügung gestellt werden sollten, würden dann zunächst auf Eis liegen. Die Abstimmung im Bundesrat ist für den 14. Dezember vorgesehen.
GEW-Chefin Marlies Tepe quittiert das Verhalten der Länder mit Kopfschütteln. Der enorme Investitionsstau und der dramatische Fachkräftemangel an Schulen und in Kitas bezeugten, dass sich die Länder nicht ausreichend um die Bildungsfinanzierung selbst kümmerten. Nachvollziehbar sei allerdings, dass arme Bundesländer zum Teil ein Problem hätten, 50 Prozent auf die Bundesmittel draufzulegen. Hierfür müsse schnell nach Lösungen gesucht werden, forderte Tepe.
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