- Wirtschaft und Umwelt
- Tierbiss von Steinfeld
Mann wurde doch nicht von Wolf angegriffen
DNA-Spuren lassen keinen Rückschluss auf Isegrim zu / Umfrage: Jeder Vierte auf dem Land hat Angst vor dem Tier
Hannover. Für den vermuteten Angriff eines Wolfes auf einen 55-Jährigen in Steinfeld nordöstlich von Bremen haben Wissenschaftler keinen Beleg gefunden. Der Gemeindemitarbeiter hatte angegeben, er sei am Dienstag voriger Woche auf einem Friedhof von einem Wolf oder wolfsähnlichen Tier gebissen worden. Er hatte die Wunde nach dem Biss zunächst selbst versorgt und war erst einen Tag später zum Arzt gegangen. Wie das niedersächsische Umweltministerium mitteilte, wurden sieben Proben, die am Tag nach dem Biss genommen wurden, auf DNA-Spuren geprüft - keine enthielt einen Nachweis für einen Wolf. Die Proben wurden erst am Mittwoch nach Reinigung der Wunde genommen worden. »Ich hätte mir ein klareres Ergebnis gewünscht«, sagte Umweltminister Olaf Lies (SPD) am Dienstag.
Ziel sei, den Vorfall möglichst weit aufzuklären, betonte Lies. Eine Wolfsattacke gänzlich ausschließen, wollte der Umweltminister nicht. Zur Klärung will das Land das Wolfsrudel in der am Moor gelegenen Gemeinde mit Sendern ausstatten lassen, um herauszufinden ob sich die Raubtiere Menschen nähern. Die Wölfe - vermutlich zwei Eltern- und sieben Jungtiere - müssen dazu mit Fallen gefangen werden. »Ich will nicht ausschließen, dass die Besenderung Wochen oder Monate dauert«, sagte der Minister. Gleichzeitig werde weiterhin geprüft, ob ein freilaufender Hund für den Angriff verantwortlich sein könnte.
Der 55-Jährige hatte bei Arbeiten an einem Zaun nach hinten gegriffen, als seine Hand plötzlich festgehalten wurde. Er blickte sich um und meinte, einen Wolf zu sehen, der zugeschnappt hatte. Drei weitere Tiere hätten die Aktion mit etwas Abstand beobachtet. Dann habe er sich aber befreien und die mutmaßlichen Wölfe mit einem Hammer vertreiben können. Es wäre der erste Angriff eines Wolfes auf einen Menschen in Deutschland seit Rückkehr der Tiere.
Am Tag danach wurden auf dem Friedhof in Steinfeld von Mitarbeitern des niedersächsischen Wolfsbüros Tierhaarproben genommen. Darüber hinaus wurde der Pullover des Mannes sowie der Hammer auf DNA-Spuren untersucht. Bei zwei Speichelproben vom Pullover wurde laut Ministerium Katze, bei einer weiteren Katze und Hund identifiziert. Die Tierhaare vor Ort stammten von einem Reh, auf dem Hammer fanden sich keine Spuren. Der Abschlussbericht des Senckenberg-Instituts in Gelnhausen wird am Freitag erwartet. Es ist für alle genetischen Untersuchungen zum Thema Wolf in Deutschland zuständig.
Der Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen geht derweilen von einem Hundebiss aus. »Dies wird auch dadurch gestützt, dass sowohl das Verhalten der Tiere, als auch das Aussehen mit mindestens einem dunklen Tier und drei helleren für Hunde spricht. Denn in Niedersachsen gibt es ausschließlich graue, freilebende Wölfe«, sagte Nabu-Landeschef Holger Buschmann. »Leider ist es in solchen Fällen immer so, dass es Akteure gibt, die vorschnell den Wolf als Verursacher benennen ohne die Faktenlage abzuwarten. Das schürt massiv Ängste in der Bevölkerung.«
Bei einem Nachweis des Wolfes im Fall von Steinfeld wäre das Tier und möglicherweise das ganze Rudel getötet worden. Niedersachsens Umweltminister Lies plädiert schon länger für eine stärkere Kontrolle der Wölfe ein. Es müsse geprüft werden, »ob und ab wann die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht helfen kann, um beispielsweise Fragen von Zuständigkeiten und Befugnissen zu lösen«, sagte Lies am Dienstag der Deutschen-Presse-Agentur. Sollte der Wolf in das Jagdrecht aufgenommen werden, könne er aber nicht automatisch bejagt werden. Bundesweit gibt es 73 Wolfsrudel, in Niedersachsen sind es etwa 20 mit insgesamt 200 bis 250 Tieren.
80 Prozent haben keine Angst vor dem Wolf
Laut einer Umfrage nimmt jeder vierte Bewohner sehr dünn besiedelter Gebiete die wachsende Zahl frei lebender Wölfe in Deutschland als Gefahr für sich persönlich wahr. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von t-online.de hervor. In sehr dicht besiedelten Gebieten fürchteten lediglich etwa 14 Prozent der Befragten Wolfsangriffe. Insgesamt gaben fast 80 Prozent der Befragten an, sie hätten keine Angst vor dem Wolf. Rund 18 Prozent sagten, die Ausbreitung der Tiere ängstige sie.
Am ehesten besorgt waren der Umfrage zufolge Menschen über 65 Jahre, jeder Fünfte von ihnen äußerte sich entsprechend. Am wenigsten Angst hatten Jugendliche zwischen 18 und 29 Jahren: Von diesen brachte nur jeder Zehnte Befürchtungen zum Ausdruck. Das Institut hatte vom 29. November bis 4. Dezember 5029 Menschen online die Frage gestellt: »Nehmen Sie die wachsende Zahl frei lebender Wölfe in Deutschland als Gefahr für Sie persönlich wahr?« Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.