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Raketenstopp in Niedersachsens Hauptstadt
Hannover verbietet Silvesterfeuerwerk in der Innenstadt - Grund: Attacken auf Einsatzkräfte
Betrunkene grölen, als der Rotkreuzwagen stoppt und Sanitäter aussteigen, um einem am Straßenrand liegenden Mann zu helfen. Noch ehe sie den Besinnungslosen erreicht haben, fliegt den Rettungskräften ein Kanonenschlag zwischen die Beine, explodiert. Geworfen hat den Feuerwerkskörper einer der stark Alkoholisierten, die den Einsatz johlend kommentieren. Solche und ähnliche Szenen wurden vom Jahreswechsel 2017/18 aus mehreren deutschen Städten gemeldet, beispielsweise aus Berlin und Hannover. Dort waren in jener Silvesternacht auch Feuerwehrleute, die zu einem Brand eilten, und Polizisten mit Böllern beworfen worden.
Damit sich so etwas nicht wiederholt und auch zum Schutz unbeteiligter Menschen vor Verletzungen bereitet die Verwaltung der niedersächsischen Hauptstadt nun ein Feuerwerksverbot für mehrere Bereiche der Innenstadt vor. Begrüßt wird dieser Schritt von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Wie ihr Landesvorsitzender Alexander Zimbehl berichtet, mischen sich unter friedlich Feiernde zu Silvester zunehmend Gruppen, »die kein anderes Ziel haben, als Einsatzkräfte und vor allem Unbeteiligte mit Feuerwerkskörpern zu beschießen«. Diese Attacken, bei denen auch Böller in Menschenmengen geworfen werden, »haben mittlerweile lebensbedrohliche Ausmaße angenommen«, mahnt der Gewerkschafter.
Der Raketenstopp kommt bei der Bevölkerung gut an. Bei einer Umfrage der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung« bekundeten 89 Prozent der 2300 Teilnehmer, der Vorstoß der Verwaltung sei eine gute Sache.
Für Hannover ist das Böllerverbot etwas Neues, für viele kleinere Städte in Deutschland etwas Vertrautes, vor allem dort, wo brandgefährdete Gebäude durch Feuerwerkskörper beschädigt oder zerstört werden könnten. Auf der Nordseeinsel Sylt beispielsweise sind Raketen und Knaller wegen der vielen Reetdachhäuser generell untersagt. Das gleiche gilt in der Altstadt des nordrhein-westfälischen Düsseldorf mit ihrer historischen Bausubstanz.
So manche andere Großstadt hat sich bislang nicht zu Böllerverboten entschlossen. Die Hafenstadt Hamburg zum Beispiel untersagt nur das Abschießen von Seenot-Signalraketen als Silvesterfeuerwerk. Auch Berlin hat sich noch nicht zu Einschränkungen der Ballerei durchgerungen, doch wird zurzeit darüber diskutiert. In Köln hatte unlängst ein Bürger beantragt, die Stadt möge zu Silvester ein Feuerwerksverbot verhängen - wegen der Feinstaubbelastung. Der zuständige Fachausschuss lehnte ab. Ein Böllerstopp gilt in der Rheinmetropole allerdings schon seit Langem für die unmittelbare Umgebung des Domes.
Auch Leipzig verzichtet auf ein Verbot der silvesterlichen Knallerei. Musik dagegen wird offensichtlich strenger beäugt in der Sachsenstadt. Als dort Schüler mit Tuba, Waldhorn und Trompete auf dem Weihnachtsmarkt erschienen, um für ein Hilfsprojekt aufzuspielen, wurden sie von städtischen Bediensteten des Platzes verwiesen. Das Musizieren könne »die weihnachtliche Atmosphäre, die Zufriedenheit der Besucher und Händler ›empfindlich stören‹«, zitiert die »Leipziger Volkszeitung« aus der Begründung der Behörde. Nach einer Intervention dortselbst durften die jungen Musikanten dann aber doch noch auf dem Markt zu den Instrumenten greifen.
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