- Kommentare
- Repression gegen Umweltschützer
Grenzwertig
Die Verhaftung von und die Einreiseverbote gegen Klimaaktivisten in Polen sind ein gefährlicher Präzendenzfall.
Fürs Klima zu kämpfen kann in Polen den Schlaf kosten. »Die Grenzpolizei klopfte an die Tür in meinem Hotelzimmer, als ich schlief, am Samstagmorgen. Sie fragten nach meinem Reisepass und sagten mir, ich solle mich fertig zum Gehen machen, ohne eine Erklärung zu geben.« Wie eine Verbrecherin sei sie behandelt worden, erinnert sich ihre Begleiterin.
»Ich war geschockt, als ich sah, wie meine Kollegin in Handschellen abgeführt wurde. Das war wirklich surreal, als wären wir Kriminelle, dabei haben wir gar nichts getan«. Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit hatte Polens Polizei die zwei Klimaaktivistinnen festgenommen.
Die beiden Frauen von der ukrainischen Öko-Organisation Ecoaction, Partner der deutschen Klima-NGO Germanwatch, waren schon eine Woche auf der UN-Klimakonferenz in Katowice. Zwölf Stunden blieben die Klimaaktivistinnen in einer Arrestzelle, ohne Zugang zu einem Anwalt, sechs Stunden ohne Telefon, berichteten die beiden Opfer der Polizeiwillkür nach ihrer Freilassung den Menschenrechtlern von Amnesty International.
»Ich weiß nicht, was da passiert ist. Mein Flugzeug landete in Katowice, und als ich durch die Passkontrolle ging, sagte mir die Grenzpolizei, bei meinem Namen sei ein Alarm aufgeleuchtet. Ich müsse zurück nach Hause, weil ich eine Sicherheitsgefahr sei«, erzählt Nugzar Kokhreidze, Teil der offiziellen Klimadelegation Georgiens auf der Konferenz. »Das ist schon seltsam, denn vor zwei Monaten saß ich noch auf einer Konferenz in Polen auf dem Podium«.
Sein Einreiseverbot gelte nur für die Zeit der COP-24-Klimakonferenz, so die Grenzer, die ihm bis zu seiner Abreise wenige Tage später seinen Reisepass wegnahmen und auf Schritt und Tritt folgten. Beim täglichen Gang vom Flughafenhotel zum Supermarkt wurde der Klimaschützer von zwei Beamten bewacht.
Ähnlich erging es auch Zanna Vanrenterghem. Sie reiste im Zug von Wien aus im Gastgeberland der Klimakonferenz ein. An der tschechisch-polnischen Grenze schrillte die »Sicherheitsgefahr«-Lampe auf. Die Koordinatorin der größten Klimaorganisation Europas Climate Action Network solle nach Hause fahren, blieb die Straż Graniczna eisern. Erst nach einer Intervention der belgischen Diplomatie durfte die Umweltschützerin einreisen. Und kam so gerade noch pünktlich zur großen Klima-Demo in Polens Kohlehauptstadt Katowice.
Die Schikanen gegen Teilnehmer einer Klimakonferenz der Vereinten Nationen sind ein nie da gewesener Präzedenzfall. Mitten in Europa wurden in Polen insgesamt 13 Klimaschützer inhaftiert oder es wurde ihnen die Einreise verweigert. Das ist für Amnesty International die Bilanz der Einschüchterung. Es ist ein fatales Zeichen - gerade in Zeiten, in denen Umwelt- und Klimaschützer, deren Anliegen sich immer auch um Rechte wie Land und soziale Sicherheit drehen, in vielen Teilen der Welt ums nackte Überleben kämpfen. In Zeiten, in denen der brasilianische Präsident in spe, Jair Bolsonaro dem Klimaschutz den Kampf angesagt hat, die Abschaffung des Umweltministeriums vorantreibt, die Landlosenbewegung MST zur terroristischen Vereinigung erklären will und über den Diktator Pinochet sagt, dieser hätte ruhig »noch mehr erschießen sollen«.
2017 wurden wegen ihres Engagements weltweit 207 Naturschützer ermordet. 60 Prozent der Morde wurden laut der Nichtregierungsorganisation Global Witness in Lateinamerika verübt. Hier ist der Raubbau an Amazonas, Ackerboden und Artenvielfalt besonders brutal. Wohin die Rohstoffe wandern, ist auch keine Neuigkeit: nach Europa, Nordamerika und neuerdings auch China. Über alle Grenzen hinweg landen auch deren Waren wieder bei uns.
Lorenz Gösta Beutin ist Klima- und Energiepolitiker der Linken im Bundestag und noch bis Freitag in Katowice.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!