- Politik
- Neonazis in Dortmund
Deutsches Frühstück in Dorstfeld
Neonazis haben in Dortmund ein neues Café aufgemacht / Rechte reklamieren einen ganzen Kiez für sich
Seit dieser Woche gibt es für die Neonazis im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld Frühstück im Kameradenkreis. Im Zentrum des Stadtteils, in dem es mehrere Wohngemeinschaften von Neonazis gibt, mindestens eine Immobilie sogar im Besitz eines Szenekaders ist und den sie als »Nazi-Kiez« für sich beanspruchen, hat ein Café eröffnet, das von Angehörigen der Szene geführt wird. Von 6 bis 13 Uhr gibt es dort Frühstück. Auf Facebook wirbt man: »Hier gibt es z. B. Frühstück, wo man sich die Brötchen individuell gestalten lassen« (Fehler im Original). Das beworbene Frühstück sieht karg aus. Trotzdem hat das Café auf Facebook schon nach wenigen Tagen über 100 Likes, die sich wie die Teilnehmerliste eines typischen Aufmarsches der neonazistischen Partei »Die Rechte« lesen.
Ein Bild des Cafés gefällt Alexander Deptolla, Mitorganisator des Neonazi-Kampfsportevents »Kampf der Nibelungen« genauso, wie es Dieter Riefling gefällt, einem Nazi-Kader aus Niedersachsen. Sascha Krolzig und Michael Brück, Bundesvorsitzende »Der Rechten«, waren schon im Café zu Besuch. Brück, der wenige Meter entfernt wohnt und einen Versandhandel betreibt, in dem neben Propaganda auch Sturmhauben, Macheten und Äxte angeboten werden, soll nach Angaben von Beobachtern sogar Flugblätter für das Café verteilt haben.
Im und am Café selbst zeigen die Betreiber ihre politischen Überzeugungen nicht. Das hat Gründe: Man will so weiter in Kontakt mit Anwohnern kommen. Der Handwerker, der zum Frühstück vorbeikommt und regelmäßig mit Nazi-Kadern spricht, trägt zur Normalisierung bei und hilft neue Netzwerke zu knüpfen. Auch wäre ein reines Szene-Lokal ökonomisch wohl ein Drahtseilakt. Das Rechte sich bei ihren Ausflügen in die Gastronomie betont unpolitisch geben, ist keine Seltenheit. Erst im Sommer hatte der Sänger der Band »Kategorie C« versucht, an der Universität Bremen einen »Foodtruck« zu betreiben. Antifaschistische Recherchen und der öffentlicher Druck hatten zur Kündigung der Standfläche geführt.
Dass die Neonazis versuchen, den Stadtteil Dorstfeld zu einem Nazi-Kiez zu machen, ist auch dem nordrhein-westfälischen Innenministerium bekannt. Man weiß, »dass Teile des Stadtteils Dorstfeld, in dem es mehrere rechtsextremistische Wohngemeinschaften gibt, von der Szene als 'Nazi-Kiez' reklamiert werden.« Dies geschehe durch Graffitis, »aber auch durch eine Präsenz der Szene auf der Straße«. Die Sicherheitsbehörden wollen »weiter beobachten und die Öffentlichkeit über deren Treiben aufklären«.
Eine gute Gelegenheit wäre ein Besuch des Innenministers am Freitagnachmittag. Allerdings will Herbert Reul (CDU) nur ein »Plakatmotive des Rechtsextremismus-Aussteigerprogramms «Spurwechsel»« enthüllen, wenn er im Stadtteil zu Besuch ist. In einer nd-Anfrage zur Etablierung des Cafés heißt es: »Erkenntnisse über Einzelpersonen und Objekte, die über die Berichterstattung im NRW-Verfassungsschutzbericht hinaus gehen«, könnten »öffentlich nicht mitgeteilt werden«. Einen anderen Ort, den die Dortmunder Nazi-Szene nutzt, nannte das Innenministerium allerdings: Konzerte finden auf dem Gelände eines Hundesportvereins am Rande des Stadtteils statt.
Wie es in mit dem »Stress Café« weitergeht, wird sich zeigen. Dortmunder Nazis haben mal mehr, mal weniger Glück mit ihren Immobilien. Einen Treffpunkt in der Rheinischen Straße konnte man über Jahre ungestört betreiben, dann kaufte die Stadt ihn und richtete einen Jugendtreff und eine Anlaufstelle zur »Stärkung von Toleranz, Zivilcourage und interkultureller Kompetenz sowie zur Bekämpfung von Rechtsextremismus« ein. Eine andere Immobilie wurde von der Stadt aus baurechtlichen Gründen geschlossen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.