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SPD-Vorstand will Sarrazin ausschließen
Juso-Chef Kevin Kühnert: Ohne das Parteibuch der SPD wäre Sarrazin nur ein Hetzer unter Vielen
Berlin. Der SPD-Vorstand will erneut versuchen den früheren Berliner Finanzsenator und umstrittenen Autor Thilo Sarrazin aus der Partei auszuschließen. Die Thesen Sarrazins seien nicht mit den Grundsätzen der SPD vereinbar und er füge der Partei einen »schweren Schaden« zu, teilte Generalsekretär Lars Klingbeil am Montag mit.
Im Sommer hatte die SPD-Spitze Sarrazin aufgefordert, die Partei freiwillig zu verlassen, nachdem er sein islamkritisches Buch »Feindliche Übernahme« vorgestellt hatte. Eine Arbeitsgruppe wurde zudem damit beauftragt, das Buch zu prüfen und die Möglichkeit eines Parteiausschlussverfahrens auszuloten.
»Die Untersuchungskommission hat jetzt einen umfassenden und sehr fundierten Bericht vorgelegt«, sagte Klingbeil. Auf dieser Grundlage habe der Parteivorstand entschieden, ein neues Parteiordnungsverfahren einzuleiten. Ziel sei der Ausschluss Sarrazins aus der SPD.
Die Untersuchungsergebnisse wird die SPD vorerst nicht publik gemacht. »Der Bericht ist Gegenstand des laufenden Verfahrens und wird entsprechend nicht veröffentlicht«, sagte eine Parteisprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Darüber hinaus gelte im Rahmen eines Parteiordnungsverfahrens die Verschwiegenheitspflicht nach Paragraf 17 Schiedsordnung. »Dies gilt für die Mitglieder der Schiedskommission sowie für alle Beteiligten und Beistände des Verfahrens«, erklärte sie.
Juso-Chef Kevin Kühnert lobte den Vorstoß der SPD am Dienstag. »Das wichtigste Buch seiner Karriere war keines seiner islamfeindlichen Pamphlete, das wichtigste Buch war immer das Parteibuch der SPD. Ohne dieses wäre er immer nur ein Hetzer unter vielen gewesen«, erklärte Kühnert weiter. »Es wird Zeit, ihm dieses Privileg zu entziehen. Mit den Werten der SPD hat er schon lange nichts mehr am Hut.«
Der Ausschlussversuch sei richtig, komme aber »mindestens acht Jahre zu spät«, erklärte Linkspartei-Chef Bernd Riexinger auf Twitter. Sein Rassismus und Nationalismus sei damals nur salonfähig gewesen, weil er von einem SPD-Mitglied und »vermeintlichem Linken« kam, so Riexinger.
Thilo Sarrazin selbst reagierte am Montag gelassen auf das erneute Ausschlussverfahren. Der Beschluss des SPD-Parteivorstands sei »Teil des innerparteilichen Machtkampfes um die künftige Linie der SPD«, sagt er dem Berliner »Tagesspiegel«. Er sei nicht überrascht über die Entscheidung der Parteiführung und warte nun in Ruhe ab, »was der SPD-Vorstand mir schreiben wird«. Er behalte sich vor, einen Anwalt einzuschalten und den Rechtsweg zu beschreiten.
Bisherige Ausschlussversuche erfolglos
Die SPD ist schon zweimal mit dem Versuch gescheitert, den früheren Berliner Finanzsenator aus der Partei zu werfen. Sarrazin hatte unter anderem als Auflage bekommen, sich nicht parteischädigend zu verhalten. Er ist als Autor vor allem für seinen 2010 erschienen Bestseller »Deutschland schafft sich ab« bekannt.
Die Hürden für einen Parteiausschluss sind generell hoch, damit er nicht als Instrument missbraucht werden kann, missliebige Menschen loszuwerden. Der frühere Ministerialbeamte, Staatssekretär, Senator und Bundesbanker hatte im Sommer gesagt, er fühle sich in der SPD »nach wie vor gut aufgehoben«.
Die beiden bisherigen Ausschlussversuche gegen Sarrazin waren gescheitert. Im Oktober 2009 leiteten der Berliner SPD-Kreisverband Spandau und der Ortsverein Alt-Pankow ein Parteiordnungsverfahren gemäß des SPD-Organisationsstatuts ein. Begründet wurde dies damit, dass Sarrazin erheblich gegen die Grundsätze der Partei verstoßen habe, indem er sich in einem Interview diffamierend über türkische und arabische Migranten geäußert habe. Die Kreisschiedskommission Charlottenburg-Wilmersdorf sprach Sarrazin jedoch im November 2009 vom Vorwurf der Parteischädigung frei.
Eine Berufung der Antragsteller vor der Landesschiedskommission blieb erfolglos - die Kommission entschied im März 2010, die SPD müsse »solche provokanten Äußerungen aushalten«. Das Gremium stellte aber zugleich klar, dass Sarrazin damit »keinen Freifahrtschein für alle künftigen Provokationen erhält«.
Nur wenige Monate später entzündete sich eine erneute Kontroverse an Sarrazins Buch »Deutschland schafft sich ab«. Darin beklagt der Autor eine angeblich fehlende Integrationsbereitschaft von Muslimen. Die Bundes-SPD und weitere Antragsteller strebten daraufhin einen Parteiausschluss Sarrazins an.
Die Anträge nahmen vor allem Bezug auf Sarrazins Äußerungen zu genetischen Eigenschaften bestimmter Volksgruppen. »Mir lag es fern, in meinem Buch Gruppen, insbesondere Migranten, zu diskriminieren«, erklärte Sarrazin damals. Er denke nicht, dass manche Gruppen »etwa aus genetischen Gründen nicht integriert werden könnten«.
Der Konflikt um das Buch endete zunächst im April 2011: Sarrazin sichert zu, er werde sich künftig an die Grundsätze der Partei halten - zugleich wurden die Anträge auf Ausschluss aus der SPD zurückgezogen. Agenturen/nd
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