Bäume pflanzen reicht nicht

Wer es mit dem Klimaschutz ernst meint, muss die herrschenden Produktions- und Eigentumsverhältnisse in Frage stellen.

  • Hubertus Zdebel,
  • Lesedauer: 4 Min.

Begeisterung sieht anders aus. UN-Generalsekretär Antonio Guterres sprach von einem »soliden« Ergebnis, der polnische Konferenzpräsident Michał Kurtyka von »tausend kleinen Schritten nach vorne«. Der Abschluss der diesjährigen Klimakonferenz in Katowice erntete lediglich verhaltene Reaktionen. Angesichts der Querschüsse einiger Staaten, allen voran den USA, mag man froh sein, dass es überhaupt zu einem konsensualen Abschlusspapier gekommen ist.

Nun gibt es zwar ein Regelbuch zur Umsetzung des Pariser Abkommens, doch konkrete Maßnahmen in Richtung Kohleausstieg, Energie-, Verkehrs- und Agrarwende waren nicht Thema. Dies wäre für die deutsche Delegation auch sehr blamabel geworden, denn sie hatte wenig an nationalen Fortschritten zu bieten. Weder erreicht die Bundesregierung ihr Klimaziel 2020, noch fand die Kohlekommission fristgerecht zu einer Einigung.

Der weltweite CO2-Ausstoß hat 2018 zudem ein neues Rekordhoch erreicht. Nach derzeitigem Stand ist bis Ende des Jahrhunderts mit einer Erderwärmung von über 3° Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu rechnen. Der jüngste Sonderbericht des Weltklimarats IPCC fällt entsprechend alarmierend aus und fordert von den Staaten massive Anstrengungen zur Erreichung des Pariser 1,5-Grad-Ziels. Insbesondere für die pazifischen Inselstaaten geht es ums pure Überleben.

Eine bloß moralisierende Anklage greift aber zu kurz. Denn nicht ohne Grund vertreten die Staaten ihr pures Eigeninteresse. Der Irrsinn hat System. Auf den Klimakonferenzen begegnen sich die VertreterInnen souveräner Nationalstaaten, die auf dem Weltmarkt miteinander konkurrieren. Um nicht auf der Seite der Verlierer zu stehen, versuchen sowohl Unternehmen als auch Staaten die globale Marktlage zu antizipieren und sich Konkurrenz- bzw. Standortvorteile zu sichern. Die Grundlage jeden gemeinsamen Tuns - Kooperationsbereitschaft und Vertrauen ist damit von vorneherein begrenzt.

Kann es da noch überraschen, dass die brasilianische Regierung Sonderrechte beim Emissionshandel beansprucht? Oder Saudi-Arabien den Ausstieg aus den fossilen Energien möglichst weit hinauszuzögern versucht? Selbst das Vorgehen Trumps ist gemessen an der nationalen Standortlogik durchaus rational. Ihm geht es mit der Stärkung der heimischen Öl- und Gasindustrie um die Senkung des gigantischen Außenhandelsdefizits der USA, von dem nicht zuletzt die deutschen Autokonzerne über Jahre üppig profitiert haben.

Wenn hier von Rationalität die Rede ist, dann ausschließlich im Sinne einer kurzfristigen ökonomischen Zweckrationalität, die von den gegebenen kapitalistischen Bedingungen ausgeht. Hinsichtlich der langfristigen Interessen der Menschheit ist die weltweite Blockade der Energiewende eine einzige Irrationalität. Solange es den Kapitalismus gibt, bleibt das Handeln der Staats- und Regierungschefs an das Profitkalkül gebunden – und so lange stellt sich auch die Frage, wie viel Klimakonferenzen wie die in Katowice überhaupt bewirken können. Die COP24 diente vor allem der wechselseitigen Bestätigung der Staaten, weiter zu machen wie bisher.

Die Illusion eines grünen Kapitalismus findet eine breite Anhängerschaft, die von Merkel und Macron über die Vorstände von Google, Microsoft, Siemens und Co. bis hin zu Bündnis 90/Die Grünen und einigen Umweltverbänden reicht. Beim Klimaschutz handelt es sich diesen Akteuren zufolge um eine vorrangig technische Angelegenheit: Es geht ihnen darum, fossile durch erneuerbare Energien zu ersetzen und zugleich ein wunderbares neues Geschäftsmodell für eine »green economy« zu schaffen. Die soziale Komponente beschränkt sich darauf, dass Industriestaaten in einer Art Ablasshandel ein paar Milliarden Dollar für den globalen Süden bereitstellen und Ausgleichsbäumchen in der kapitalistischen Peripherie pflanzen. Die Eigentumsverhältnisse und globalen ökonomischen Ungleichgewichte bleiben indes unangetastet bestehen.

Solange der Glaube an die Selbstheilungskräfte des Kapitalismus hegemonial bleibt, hat wirksamer Klimaschutz keine Chance. Hoffnung gibt einzig das Erstarken einer globalen antikapitalistischen Klimabewegung. Das Jahr 2018 bot einige bemerkenswerte Ereignisse, etwa die Besetzungen im Hambacher Wald oder die Proteste der Gelbwesten, die die soziale Ungerechtigkeit einer von oben verordneten Energiewende zugunsten der Reichen kritisieren. Die von Greta Thunberg inspirierten weltweiten SchülerInnen-Streiks zählen ebenso zu den Lichtblicken wie verschiedene Divestmentkampagnen.

Die Aufgabe einer antikapitalistisch orientierten Linken muss es sein, bei Großereignissen wie der Klimakonferenz auf die ökonomischen Widersprüche aufmerksam zu machen - und diese Veranstaltungen zugleich nicht über zu bewerten. Es ist möglich allen Menschen ein würdevolles Leben frei von Elend und Existenzangst zu garantieren, und andererseits die ökologischen Belastbarkeitsgrenzen des Planeten zu wahren. Ob es der Menschheit gelingt, die verheerenden Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen, ist vor allem eine soziale Frage.

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