Demontage einer UN-Kommission

Guatemalas Regierung pfeift auf Rechtsstaatlichkeit und wirft internationalen Ermittler raus

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

César Rincón und Luis Fernando Orozco sind zwei der engsten Mitarbeiter von Iván Velásquez, dem Direktor der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG). Die beiden sind Schlüsselfiguren innerhalb der Kommission und haben genauso wie neun weitere CICIG-Ermittler gerade das Land verlassen. Sie reagierten damit auf den Entzug ihrer diplomatischen Akkreditierung durch die guatemaltekische Regierung vergangene Woche, die zudem ihre Immunität aufhob.

Die Maßnahme der guatemaltekischen Regierung kam nicht ganz überraschend für Matias Ponce, Sprecher der UN-Kommission, denn der Kleinkrieg der Behörden läuft seit Monaten. Ende August kündigte Präsident Jimmy Morales das Mandat der CICIG zum September 2019, parallel dazu ließ er Militärjeeps vor dem Sitz der UN-Kommission in der Zona 14 von Guatemala-Stadt auffahren. Wenig später ließen die Einwanderungsbehörden 50 Visa von ausländischen CICIG-Experten unbearbeitet, dann pickten sie sich die elf wichtigsten Ermittlungsexperten heraus, die nun kalt abserviert wurden.

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»Die Maßnahme zielt darauf ab, die Unabhängigkeit der Untersuchungen zu verletzen«, ist Matias Ponce überzeugt. Die Rechnung könnte aufgehen, denn mit den elf ausländischen Ermittlungsexperten und Juristen verliert die Kommission das Personal, welches die Ermittlungen in wichtigen Prozessen leitete. So ist Luis Fernando Orozco mit dem Fall La Línea betraut, dem Korruptionsskandal gegen den inhaftierten Ex-Präsidenten Otto Pérez Molina, während César Rincón gegen Sammy und José Manuel Morales ermittelt hat - den Bruder und den Sohn des Präsidenten.

Mit den Ermittlungen gegen die beiden nächsten Verwandten des Präsidenten begann der Konflikt zwischen Präsident Jimmy Morales und CICG-Direktor Iván Velásquez. Letzterer wurde bereits im Juli 2017 zur »unerwünschten Person« in Guatemala erklärt. Damals pfiff das Verfassungsgericht den Präsidenten zurück und pochte auf die Einhaltung der Gesetze. Morales ließ sich nicht beirren. Ende August hat er die Behörden angewiesen, Iván Velásquez nicht einreisen zu lassen. Seitdem arbeitet der CICIG-Direktor aus New York und koordiniert von dort die Arbeit der UN-Kommission. Das habe, so Matias Ponce, in den vergangenen Monaten gut funktioniert. Genau deshalb geht die Regierung in Guatemala nun direkt gegen das Personal der CICIG vor.

Guatemalas Vorgehen hat Signalcharakter für die gesamte Region. Bisher regt sich wenig Widerstand bei den Ländern, die die Einsetzung der UN-Kommission und die anvisierte Stärkung des Justizsystems in Guatemala unterstützt haben. Vor allem die USA lassen die Clique hinter Jimmy Morales, den so genannten »Pakt der Korrupten«, bei der Demontage der CICIG und des guatemaltekischen Rechtsstaats gewähren. Genau diese Clique ist durch die Ermittlungen von CICIG und der Generalstaatsanwaltschaft bedroht, denn gegen sie liegen etliche Beweise für Korruption und Manipulation vor, die in mehreren Mammutprozessen verhandelt werden sollen. Für die sind Experten wie Rincón und Orozco verantwortlich. Bei ihrem Rausschmiss dürften im Hochsicherheitsgefängnis Mariscal Zavala die Sektkorken geknallt haben. Dort sitzen etliche der prominenten Straftäter, darunter auch Ex-Präsident Otto Pérez Molina ein, und dort dürfte auch die Kampagne gegen die UN-Kommission auf internationaler Ebene ersonnen worden sein. Die hat dafür gesorgt, dass die CICIG in den USA anscheinend ihren Rückhalt verloren hat. Anders ist es kaum zu erklären, dass Jimmy Morales massive Rechtsbrüche begehen kann, ohne mit Konsequenzen von den USA rechnen zu müssen. Für die Justiz in Guatemala und der Region ist das ein negatives Signal. De facto setzen sich die korrupten Eliten über die Rechtsstaatlichkeit hinweg und das ist ein Freifahrtschein für die Regierungen in der gesamten Region. Für die CICIG, die 2006 auf das Hilfegesuch der guatemaltekischen Regierung an die Vereinten Nationen, die Straflosigkeit einzudämmen, eingerichtet wurde, ist das ein bitteres Ende. Elf Jahre später hat die Regierung das Mandat zum September 2019 gekündigt. Der Rausschmiss der 11 UN-Ermittler passt da ins traurige Bild.

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