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Progressive, an die Schaltstellen!
In den USA versuchen linke Demokraten in machtvolle Kongress-Ausschüsse zu kommen
»Progressive Abgeordnete kommen nach Washington, um die Welt zu verändern, New Democrats, um in den Haushaltsausschuss gewählt zu werden«, sagt Alex Lawson. Mit seiner Organisation Social Security Works (Social Security funktioniert!) will er das ändern. In den letzten Wochen hat er bei den Demokraten vor allem an neu gewählte Parteilinke appelliert, die am 3. Januar als neue Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus ihren Amtseid ablegen werden.
Die Demokraten haben zwar die Mehrheit im Repräsentantenhaus, aber nicht im Senat. Deswegen ist die Chance, in den nächsten beiden Jahren Großprojekte wie »Medicare for all« – eine staatlich organisierte allgemeine Gesundheitsversorgung – zu beschließen, gering. Daher werden die Demokraten in den nächsten zwei Jahren vor allem Gesetzesprojekte für die Zeit nach der Präsidentschaftswahl 2020 vorbereiten. »Vorspiel für 2020«, nennt Lawson das gegenüber »nd«.
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Wenn es nach dem linken Lobbyisten geht, sollten progressive Demokraten nicht nur Protest gegen Trump organisieren, sondern auch Mitglied im Haushaltsausschuss werden oder im Komitee zur Steuergesetzgebung, dem zu Finanzmarkt-Dienstleistungen, zur Geheimdienstaufsicht und dem Ausschuss zu Energie- und Handelspolitik. Die Arbeit der fünf sogenannten Power-Committees mag kompliziert sein, doch sie sind die mächtigsten Ausschüsse im »House«.
Denn hier werden zentrale Gesetzesprojekte vorbereitet. Bisher suchten Lobbyisten die Nähe der Ausschussmitglieder. Die wiederum nutzten die Kontakte zur Industrie, um Großspenden einzuwerben. Das könnte sich ändern, wenn etwa der konservative Demokrat Tom Suozi keinen Platz im Ausschuss zur Steuergesetzgebung erhält, sondern die demokratische Sozialistin Alexandria Ocasio-Cortez, die keine Großspenden annimmt und wie andere Progressive die Macht des großen Geldes zurückdrängen will.
Zwar akzeptieren laut einer Untersuchung des linken Nachrichtenseite »The Intercept« 73 von 77 der bisherigen Mitglieder des Congressional Progressive Caucus ebenfalls Großspenden, auch wenn viele von ihnen die Rolle des großen Geldes in der US-Politik kritisieren. Doch mehr als 30 neu gewählte linke Demokraten haben angekündigt keine Großspenden anzunehmen.
Die Newcomer-Progressiven, die von einer aktivistischen Basis unterstützt werden und aggressiver linke Politik machen als einige Progressive älteren Semesters könnten auch für mehr Transparenz über die oft quasi geheime Parlamentsarbeit sorgen. Alexandria Ocasio-Cortez, die »Zukunft der Partei« (Demokraten-Vorsitzender Tom Perez) etwa enthüllte vor kurzem beispielsweise, das bei einer offiziellen Einführung in die Parlamentarbeit für »House Freshmen« dutzende Firmenlobbyisten die Gelgenheit bekamen zu den neuen Abgeordneten zu sprechen, nicht aber Gewerkschaften oder NGOs. Und sie berichtet ihrer Millionenfachen Followerschar auf Instagram auch über die alltäglichen Schwierigkeiten, etwa die Wohnungssuche im teuren Washington.
Lawson und die Organizer anderer Organisationen wie die Justice Democrats, die die jungen »konfrontativen« Parteilinken wie Ocasio-Cortez ermutigen, sofort wichtige Schaltstellen der Macht in Washington zu besetzen, haben ein besonders überzeugendes Argument: Auch zentrale Großprojekte der Parteilinken wie »Medicare for all« oder ein »Green New Deal« zur staatlich gemanagten Energiewende werden die fünf »Power-Committees« passieren müssen, beziehungsweise dort vorbereitet.
Bislang saßen in den fünf »Power-Committees« vor allem konservative und moderate Demokraten, die Blue Dogs und New Democrats. Zumindest bis 2010, als die Demokraten zum letzten Mal die Mehrheit im »House« hatten. Der wirtschaftsfreundliche Flügel verhinderte so nach der Finanzkrise eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte. Doch der Einfluss der Wall-Street-Demokraten hat abgenommen. Der Zusammenschluss der Blue-Dog-Demokraten hatte vor zehn Jahren noch 54 Mitglieder, heute sind es nur noch 24. Bei den Verhandlungen um Obamacare konnten die Blue Dogs weitergehende Forderungen progressiver Demokraten mit der Drohung, dem Gesetzespaket nicht zuzustimmen, abwehren.
Dem Congressional Progressive Caucus (CPC) dagegen gehören nach den Midterm-Wahlen 95 Abgeordnete beziehungsweise 41 Prozent aller Demokraten im Repräsentantenhaus an. Die Vereinigung handelte mit der neuen demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhaus einen Deal zu den fünf Power-Committees aus. Der Vereinbarung mit Nancy Pelosi zufolge soll der Anteil der Progressiven in Zukunft bei 40 Prozent liegen. Ob das tatsächlich erreicht wird, war am Mittwoch noch nicht klar, weil die Besetzung der Ausschüsse durch ein von Pelosi kontrolliertes Parteigremium noch nicht veröffentlicht wurde. »Es ist ein harter Kampf, die Wall-Street-Fraktion der Partei stürzt sich immer auf diese Ausschüsse«, meint Washington-Insider Lawson.
Auch bei der Besetzung wichtiger Spitzenposten in der Parteiführung konnten die Mitglieder des CPC Erfolge erringen. Neun der 14 Mitglieder des Führungsteams der Demokraten werden aus der Progressiven-Vereinigung stammen – in der letzten Legislaturperiode waren es nur drei. In den letzten Wochen haben progressive Demokraten auch die Abschaffung von »pay-as-you-go« gefordert. Die Parlamentsregel verlangt, dass sämtliche Gesetzesprojekte und ihre Ausgaben durch Kürzungen oder Steuererhöhungen gegenfinanziert sein müssen. Das könnte etwa »Medicare for all« erschweren.
In der Praxis führte die Regelung, die in Ausnahmefällen aufgehoben werden kann, dazu, dass die Republikaner für den Antiterrorkrieg oder die Trump-Steuererleichterungen für Unternehmen umfangreiche Schulden aufnahmen oder Löcher in den US-Haushalt rissen, während Sozialstaatsprojekte der Demokraten immer unter (ideologischem und tatsächlichem) Finanzierungsvorbehalt standen. Im aktuellen Entwurf für die Verfahrensregeln des »House« vom 31. Dezember ist die Regel enthalten. Denn moderate Demokraten wie die mächtige Nancy Pelosi befürworten »pay-go«. Sie haben jahrelang mit dem Versprechen darauf Wahlkampf gemacht, um von den Republikanern nicht oder ideologisch weniger effektiv als »unverantwortlich«, die Projekte »auf Pump« finanzierend, dargestellt werden zu können.
Ein anderes strukturelles Hindernis für eine zukünftige »aktivistische« Regierung haben progressive Demokraten bereits beseitigt. Er werde die vorher von Pelosi vorgeschlagene »Supermajority«-Regel nicht durchsetzen, erklärte der neue Vorsitzende des »House Rules Committee«, der Demokrat Jim Mc Govern Mitte Dezember nach Kritik vom linken Flügel. Die Verfahrensregel war 1994 von den Republikanern eingeführt worden.
Demnach müssen alle Gesetze, die eine Steuererhöhung für die Mehrheit der Amerikaner bedeuten mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit von 261 Abgeordneten im Repräsentantenhaus verabschiedet werden. Im neuen »House« stellen die Demokraten aber nur 235 Abgeordnete. Mit der Regel verhinderten fiskalisch Konservative und Rechtslibertäre in der Vergangenheit erfolgreich Steuererhöhungen. Auch wenn der Durchschnittsamerikaner am Ende wegen wegfallender oder deutlich niedriger privater Gesundheitskosten unterm Strich trotzdem sparen würde: Aktuelle Gesetzesentwürfe für Medicare for all würden vermutlich zumindest formell Steuererhöhungen auch für Amerikas Mittelschicht bedeuten.
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