Im Internet? Auch im Internet!

Eine Petition fordert, die Serie »Holocaust« im Hauptprogramm zu zeigen

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Als vor 40 Jahren erstmals die US-TV-Serie »Holocaust« ausgestrahlt wurde, veränderte das viel in Deutschland West. Was vorher kaum Thema war, war jetzt Diskussionsstoff in den Wohnzimmern der Westdeutschen; ab jetzt hatte die industriell betriebene und von Deutschland zu verantwortende Ermordung von Millionen von Juden in Europa einen massenmedial tauglichen Namen: Holocaust! Claude Lanzmanns »Shoa«-Reihe, die sechs Jahre später ausgestrahlt wurde, konnte den Begriff »Holocaust« nicht aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verdrängen. Und so ist heute vom Holocaust die Rede, wenn der Genozid an den Juden (und nicht nur an diesen) gemeint ist.

Woran sich die Meisten wohl nicht mehr erinnern können: Die Serie wurde beileibe nicht im Hauptprogramm der ARD ab 20.15 Uhr ausgestrahlt - so mutig war man dann doch nicht; sie war über die zusammengeschalteten Dritten Programme der ARD ab 21 Uhr bundesweit zu sehen. Im Anschluss an die einzelnen Folgen konnten Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Meinung per Telefon (damals gab es noch kein Internet) kundtun. Eine Möglichkeit, die rege genutzt wurde.

Seit gut einer Woche wiederholen einige der Dritten Programme die Serie. Allerdings nicht am frühen Abend, sondern ab 22 Uhr. Im Internet werden wegen dieses späten Sendetermins seit Kurzem Unterschriften für eine Petition gesammelt. Die Initiatoren fordern ARD und ZDF auf, die Serie »zur besten Sendezeit in den beiden Hauptprogrammen« auszustrahlen, »zu einer Uhrzeit, zu der auch Jugendliche noch vor dem TV sitzen dürfen«. Begründet wird die Petition damit, dass auch die Wiederholung der Serie möglichst viele Menschen erreichen müsse und die Sender »ihren Beitrag zur anhaltenden Aufklärung über die Verbrechen der Nazis« leisten müssten.

Hintergrund letzterer Forderung ist wiederum die Debatte um die ZDF-Reporterin Nicole Diekmann. Die hatte am Neujahrstag »Nazis raus« getwittert und auf die Nachfrage, wer denn für sie ein Nazi sei, ironisch geantwortet: »Jed/r, der/die nicht die Grünen wählt«. Seit Tagen sieht sich Diekmann deshalb Hasskommentaren im Netz ausgesetzt. ARD und ZDF, so die Initiatoren der Petition, müssten jetzt »ein Zeichen der Solidarität« mit der Kollegin setzen.

So gut gemeint die Petition ist, so wenig Überlegung steckt in ihr. Im Zeitalter von Mediatheken ist es heute nicht mehr wichtig, zu welcher Uhrzeit eine Sendung ausgestrahlt wird, und gerade Jugendliche schauen nicht mehr so oft analoges Fernsehen. So kam 2017 eine Studie (»Tendenzen im Zuschauerverhalten«, Camille Zubayr und Heinz Gerhard) zu dem Ergebnis, dass 14- bis 29-Jährige nur noch auf täglich 94 Fernsehminuten kommen, während über 60-Jährige 248 Minuten vor dem Fernseher verbringen.

Übrigens: Auf Youtube ist die Serie vollständig und 24 Stunden am Tag verfügbar.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -