Richter mit Vorgeschichte

Der ex-CDU Bundestagsabgeordnete Stephan Harbarth, leitet nun die Verhandlung zu den Hartz-IV-Sanktionen

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Bundesverfassungsgericht hat für seine Arbeit in puncto Neutralität eindeutige Regelungen: »Die Mitglieder des Gerichts üben ihr Amt in Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aus, ohne Voreingenommenheit im Hinblick auf persönliche, gesellschaftliche oder politische Interessen.« So ist es in den Verhaltensleitlinien niedergeschrieben. Doch ausgerechnet beim neuen Vorsitzenden des Ersten Senats, Stephan Harbarth, gibt es nun Zweifel.

Der 47-jährige Jurist war bis zu seiner Berufung CDU-Bundestagsabgeordneter. In dieser Funktion stimmte er in einer namentlichen Abstimmung am 28. Juni 2018 für die Beibehaltung von Hartz-IV-Sanktionen. Nun soll er als Richter in seinem ersten Prozess in Karlsruhe genau über dieses Thema die Verhandlung leiten.

Denn das Bundesverfassungsgericht verhandelt ab diesen Dienstag darüber, ob Hartz-IV-Sanktionen mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sind. Der Prozess gilt als einer der wichtigsten zu einem sozialen Thema der letzten Zeit. Harbarth wird als Vorsitzender des Ersten Senats die Verhandlung führen. In der Abstimmung hat der gebürtige Heidelberger allerdings wie seine Kolleg*innen nur eine Stimme.

Kritik an der Personalie Harbarth gab es indes schon, als bekannt wurde, dass er Richter in Karlsruhe werden soll. Der Vorwurf: Als Verfassungsrechtler könne er über Gesetze entscheiden, die er als Politiker zuvor auf den Weg gebracht hatte. Der ex-CDU MdB ist jedoch nicht der erste Fall, in dem Politiker*innen als Verfassungsrichter*innen ernannt werden. Meistens, aber nicht immer, liegt zwischen der aktiven Zeit als Politiker*in jedoch eine Karenzzeit, beispielsweise mit Lehrtätigkeit als Professor*innen an der Uni.

Richter*innen können sich in Fällen, in denen sie einen Interessenkonflikt sehen, selbst als befangen erklären. Diese sogenannte »Selbstablehnung« kommt immer wieder vor. Zuletzt lehnte sich im Sommer mit Peter Müller, in der Causa Sterbehilfe, ebenfalls ein ex-Poltiker selbst ab. Er begründete das damit, dass er sich zuvor als Ministerpräsident des Saarlands bereits eindeutig gegen aktive Sterbehilfe positionierte. Heribert Prantl, der das Thema in der »Süddeutschen Zeitung« aufgeworfen hatte, riet Harbarth daher, seine eigene Befangenheit zu erklären. Die LINKEN-Vorsitzende Katja Kipping schloss sich dem an: »Als MdB hat er noch am 28.6.2018 für Sanktionen gestimmt. Damit ist er zumindest inhaltlich nicht unbefangen. Ich empfehle ihm, die Federführung niederzulegen.«

Die Verfassungsrechtsexpertin Astrid Wallrabenstein von der Uni Frankfurt sagte gegenüber »neues deutschland«: »Gerade die öffentliche Debatte ist als Kontrolle wichtig.« Allerdings gibt sie zu Bedenken, dass mit dem Befangenheitsvorwurf gegenüber Verfassungsrichter*innen vorsichtig umzugehen sei: »Eine politische Meinung darf und soll jeder haben, auch jemand, der später Verfassungsrichter*in wird.« Sie halte die Selbsteinschätzung für den richtigen Maßstab.

Etwas in die Richtung Selbstablehnung unternommen hat Harbarth nicht. Das bestätigte die Pressestelle des Verfassungsgerichts »nd«. In zwei Jahren soll er dann übrigens Nachfolger des jetzigen Verfassungsgerichtshofpräsidenten Andreas Voßkuhle werden.

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