»Die Hälfte der Mandate für Frauen«

Der Deutsche Frauenrat startet eine Kampagne für ein Paritätswahlgesetz für mehr weibliche Beteiligung in den Parlamenten

  • Simone Schmollack
  • Lesedauer: 4 Min.

Justizministerin Katarina Barley fordert es, Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD) will es auch, selbst CDU-Kanzlerin Angela Merkel zeigt sich aufgeschlossen: Ein Paritätswahlgesetz ist derzeit stark im Gespräch. Die sogenannte Parité stellt ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in politischen Gremien sicher - und ist nötiger denn je: Der Frauenanteil im Bundestag beträgt nicht einmal 31 Prozent, so wenig wie zuletzt vor 20 Jahren. In den Landesparlamenten finden sich durchschnittlich 31,5 Prozent Frauen, in den Kommunalparlamenten sind es sogar nur 25 Prozent.

Das will der Deutsche Frauenrat (DF), Dachverband von 60 Frauen-, Familien- und Sozialverbänden mit insgesamt 12 Millionen Mitgliedern, nicht mehr hinnehmen – und startet am Donnerstag eine groß angelegte Kampagne für ein Paritätswahlrecht. »Wir fordern die in den Parlamenten vertretenen Parteien auf, im Rahmen von Wahlrechtsreformen sicherzustellen, dass Männer und Frauen je zur Hälfte die Mandate in den Parlamenten innehaben«, heißt es in dem Aufruf, der im Internet unter www.frauenindieparlamente.de zu finden ist und von zahlreichen Prominenten unterschrieben worden ist.

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Darunter die Ex-Frauenministerinnen Christine Bergmann, Renate Schmidt (beide SPD) und Rita Süssmuth (CDU), Ex-Staatsministerin im Auswärtigen Amt Cornelia Pieper (FDP), die Chefin der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung Ursula Männle, die Völkerrechtsjuristin Silke Laskowski und die erste Frau an der Spitze der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Sigrid Nikutta.

»Die Zeit ist reif für die Parité«, sagt DF-Chefin Mona Küppers: »Der Bundestag ist mehrheitlich alt, weiß, männlich und christlich besetzt. Das muss sich ändern.« Und das lässt sich ändern, indem im Zuge einer Wahlrechtsreform, über die seit einem Jahr hinter debattiert wird und die Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen will, nicht nur der Bundestag verkleinert, sondern auch geschlechterquotierte Wahllisten zur Pflicht gemacht werden könnte. Diese Idee findet sogar Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann charmant. »Der Bundestag muss kleiner und weiblicher werden«, sagte der SPD-Politiker der Zeitung »Die Welt«.

Oppermann schlägt vor, die Wahlrechtsreform sollte »erst zur übernächsten Bundestagswahl in Kraft treten«. Das dauert dem Deutschen Frauenrat zu lange, die Lobbyorganisation plädiert für eine Umsetzung noch in dieser Legislatur. »Wir haben jetzt ein Zeitfenster, das wir nutzen müssen«, sagt DF-Mitglied Elke Ferner, einstige Parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium und langjährige Chefin der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. Das Zeitfenster ist insbesondere in diesem Jahr geöffnet: Am 19. Januar vor 100 Jahren traten in Deutschland Frauen das erste Mal an die Wahlurnen, seitdem dürfen sie nicht nur wählen, sondern auch selbst gewählt werden. Zahlreiche Veranstaltungen erinnern an das Jubiläum, am Donnerstag will der Bundestag eine Feierstunde abhalten.

Es gibt verschiedene Wege zur Parität. Beispielsweise können Wahllisten im Reißverschlussverfahren mit der gleichen Anzahl von Frauen und Männern besetzt werden. Sind die Listen nicht quotiert, werden sie zur Wahl nicht zugelassen. Für die Direktmandate könnten Parteien sogenannte Tandems aus jeweils einer Frau und einem Mann vorschlagen, Bürger*innen könnten dann entweder das Duo oder die Kandidat*innen einzeln wählen.

Eine solche Wahlrechtsänderung sei längst keine ausschließlich juristische Frage mehr, sondern »eine politische Entscheidung«, sagt Ferner. »Ohne Geschlechterparität in den politischen Gremien bleibt die Demokratie unvollendet«, meint DF-Vorsitzende Küppers.

Dass Parität machbar ist, zeigt Frankreich. Dort müssen seit 2001 die Kandidat*innenlisten je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt sein, sonst werden sie zur Wahl nicht zugelassen. Auf diese Weise stieg der Frauenanteil in der französischen Nationalversammlung 2017 auf 39 Prozent. Auch Irland, Belgien und selbst Tunesien verfahren nach dem Paritätswahlrecht. Das führte in dem arabischen Land zu einem Frauenanteil unter den Abgeordneten von 36 Prozent.

In Deutschland könnte Brandenburg das erste Bundesland mit einer Parität sein. Bei allen Fraktionen, außer der AfD, findet der entsprechende im März 2018 in den Landtag eingebrachte Gesetzentwurf mehrheitlich Zuspruch. »Wir gehen davon aus, dass die Parität kommt«, sagt Grünen-Fraktionschefin Ursula Nonnemacher. Die rot-rote Landesregierung hat bereits Zustimmung signalisiert, im März wird über das Papier abgestimmt, 2020 würde es in Kraft treten.

Auch das von Linkspartei, SPD und Grünen regierte Thüringen debattiert dem Vernehmen nach über ein Parité-Gesetz. Ein Gesetzentwurf müsste bis Herbst eingebracht werden, am 27. Oktober wählen die Thüringer*innen einen neuen Landtag.

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