- Berlin
- Wohnungsbau
Begrenzter Fortschritt
Rot-Rot-Grün schafft Ziele im Wohnungsbau nicht
»Es ist nicht schön, wenn man sieht, dass wir Ende 2021 bei unter 30.000 neugebauten Wohnungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften liegen werden«, erklärt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) bei ihrer Jahrespressekonferenz am Donnerstag. »Derzeit ist die Fertigstellung von 25.000 Wohnungen bis 2021 zugesagt«, so Lompscher weiter. Damit wird das im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel um 5000 Wohnungen gerissen. Allerdings werden die geplanten Wohnungen zu dem Zeitpunkt schon im Bau sein. Letztlich sei die Fertigstellung »um einige Monate nach hinten gerutscht«, sagt die Senatorin. Die Koalition habe bei ihrem Start Ende 2016 den Vorbereitungsstand »schlicht überschätzt«, so Lompscher. Viele Wohnungsbauprojekte seien sehr komplex und dauerten länger als ursprünglich geplant.
»Mit wesentlich mehr Holzbau würden viele Wohnungsbauprojekte deutlich schneller gehen«, sagt Andreas Otto, baupolitischer Sprecher der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus. »Wir sollten uns nicht damit abfinden, dass die Ziele der Koalition verfehlt werden«, fordert er.
»Es gleicht einem Offenbarungseid, wenn Nicht-Bausenatorin Lompscher heute zugeben muss, die geplanten Wohnungsbauzahlen in dieser Wahlperiode nicht mehr erreichen zu können«, ätzt Christian Gräff, wohnungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.
2018 hatten die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen 2937 Wohnungen fertiggestellt, 2019 soll die Zahl auf 4942 steigen, der Bau von 6458 weiteren beginnen. Damit könnten 2020 erstmals die rechnerisch 6000 nötigen bezugsfertigen Neubauwohnungen pro Jahr zur Erreichung des Bauziels geschafft werden.
Dass Wohnungsbau einen langen Vorlauf braucht, zeigen die Durchschnittsmieten der 2018 fertiggestellten Neubauten. Bei vier Gesellschaften übersteigen sie die in der Kooperationsvereinbarung festgesetzten Quadratmeterpreis von maximal zehn Euro pro Quadratmeter Kaltmiete im freifinanzierten Bereich, Spitzenreiterin ist die Stadt und Land mit 12,35 Euro. Diese Projekte wurden lange vor Abschluss der Vereinbarung im April 2017 angeschoben.
Immerhin beim Ankauf von Bestandswohnungen durch die Landeseigenen geht die Stadtentwicklungssenatorin von einer »Übererfüllung« der im Koalitionsvertrag vereinbarten Zielzahl von 10 000 Wohneinheiten aus. Seit 2016 wurden 7861 Wohnungen gekauft. Allein durch die Ausübung von Vorkaufsrechten kamen 2018 exakt 638 Wohnungen in kommunalen Bestand.
Eine offene Baustelle ist nach wie vor die Unterstützung von Genossenschaften beim Wohnungsbau. Die etablierten, großen Genossenschaften könnten jährlich 2000 bis 4000 Wohnungen errichten, die kleineren, sogenannten Jungen Genossenschaften könnten weitere 300 bis 500 jährlich beisteuern, schätzt Ulf Heitmann, Geschäftsführer der Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe. Im vergangenen Herbst wurde durch einen Senatsbeschluss die Grundlage für die Genossenschaftsförderung gelegt. »Bis vor Kurzem hatten die Genossenschaften berechtigten Grund zur Klage über den Senat«, so Lompscher.
Inzwischen seien 21 Grundstücke identifiziert worden, die Genossenschaften zur Verfügung gestellt werden könnten. Doch bei Lichte betrachtet zeigen sich viele Probleme bei den Flächen. Drei Grundstücke liegen im Zentrum, sind klein und teuer. Auf sieben weiteren Flächen stehen derzeit Garagen, was langwierige Streitigkeiten bei der Baufeldfreimachung zur Folge haben könnte. Dass es oft »langwierig ist, Flächen baureif zu machen«, bezeichnet Lompscher als »normal«. »Die Stadtentwicklungsverwaltung hat inzwischen alle Instrumente geschaffen, die wir gefordert haben«, sagt Heitmann. »Jetzt muss sich Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) bei den Grundstücken bewegen. Seine Partei müsste mehr auf ihn einwirken«, fordert Heitmann. Lompscher kündigt auch die Ernennung eines Genossenschaftsbeauftragten an. »Der müsste in der Senatskanzlei angesiedelt sein und echte Befugnisse haben«, so der Bremer-Höhe-Geschäftsführer.
Die Task Force Wohnungsbau müsse einen Blick auf das Projekt Michelangelostraße werfen, kündigt Lompscher an. Vergangene Woche wurde bekannt, dass der Bau von 1200 Wohnungen dort erst 2035 abgeschlossen sein könnte.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.