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Zelten schadet nicht
Ein Experiment mit privater CO2 -Buchhaltung.
Klimaschutz, so heißt es oft, sei auch Sache jedes Einzelnen. Denn jeder Mensch entscheidet, wie er heizt, was er isst und wohin er reist. Doch was können Konsumenten wirklich gegen den Klimawandel tun? Ein Experiment des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hat das geprüft. Ergebnis: Zwar kann jeder individuell etwas tun. Entscheidend sind aber die politischen Rahmenbedingungen.
Bei dem PIK-Experiment versuchten 100 Berliner Haushalte, klimaneutral zu leben - also nicht mehr CO2 auszustoßen, als die Natur verarbeiten kann. Jeder Mensch dürfte dafür nur etwa eine Tonne CO2 im Jahr verursachen, alles inbegriffen. Essen, Strom verbrauchen, heizen, reisen. Zum Vergleich: Ein deutscher Durchschnittsbürger verursacht zurzeit etwa elf Tonnen.
Die Teilnehmer an dem sogenannten Reallabor haben ihren CO2-Ausstoß über ein Jahr in einem Online-Rechner dokumentiert. Im Mittel haben sie ihre Klimabilanz um zehn Prozent verbessert. Einzelne haben noch deutlich mehr eingespart, andere sogar mehr CO2 ausgestoßen als zuvor, einige blieben ungefähr auf ihrem Ausgangsniveau.
Das Experiment zeigt: Wer sich anstrengt - den Stromanbieter wechselt, effiziente Elektrogeräte nutzt, Essen bevorzugt regional kauft, öffentliche Verkehrsmittel statt Auto nutzt -, der kann deutlich klimafreundlicher leben als der Durchschnitt. Es zeigt aber auch: Sich Mühe zu geben, hat Grenzen. Wie die öffentliche Infrastruktur betrieben wird, kann man nicht beeinflussen - nutzen muss man sie trotzdem. »Auf jährlich 7,8 Tonnen CO2 zu reduzieren, das könnte für jeden Haushalt leicht möglich sein, und das wäre bundesweit schon mal eine ganze Menge«, sagt Fritz Reusswig vom PIK. »Selbst ambitionierte Haushalte können ihre Klimabilanz maximal halbieren, doch dann ist irgendwann Schluss«, erläutert der Soziologe. »Ab einem bestimmten Punkt hilft nur eine andere Politik.«
In Deutschland soll das ein Klimaschutzgesetz richten: Die Bundesregierung will es vor der Sommerpause auf den Weg bringen. Aufbauen soll es zum Beispiel auf den Ergebnissen der Kohlekommission. Das Gremium, das der Bundesregierung einen Weg zum Kohleausstieg vorzeichnen sollte, hat gerade seine Arbeit beendet. Spätestens im Jahr 2038, so das Gremium, soll das letzte deutsche Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Das ist zwar noch nicht politisch beschlossen, es zeigt aber immerhin, dass ein politisches Ende der Kohleverstromung von vielen Interessengruppen mitgetragen wird. Der Grundstein für den Kohleausstieg ist gelegt.
Aber das reicht nicht aus, denn nicht nur die Stromgewinnung verursacht CO2, sondern auch andere Bereiche. Darunter sind etliche »Problemkinder«. Im Verkehrssektor beispielsweise sind die Emissionen zuletzt sogar gestiegen. Auch der klimafreundliche Bau kommt nicht in Gang, gleiches gilt für die Agrarwende. Das Modell der Kommission macht auch hier die Runde. Eine Gebäudekommission soll noch eingesetzt werden. Über politischen Empfehlungen für den Verkehr brütet bereits eine Expertengruppe.
Dass der politische Rahmen noch nicht stimmt, macht es Einzelnen auch schwerer, klimafreundliche Entscheidungen zu treffen, wo sie ihnen im Prinzip obliegen: Manchmal muss man Mehrkosten in Kauf nehmen, verzichten - oder die Ideale auch mal zähneknirschend links liegen lassen. »Es ist doch absurd, dass im Supermarkt die Bio-Äpfel aus Brandenburg oft teurer sind als Marken aus Neuseeland«, sagt Karen Beese, die mit ihrem Lebensgefährten und ihren drei Kindern an dem Reallabor teilgenommen hat. Damit mache man vielen Menschen das nachhaltige Leben zu schwer - oder auch schlicht zu teuer. Sie wünscht sich, dass die Politik eingreift, etwa durch einen CO2-Preis.
Sie sei, berichtet Beese, in verschiedenen Phasen durch das Jahr gegangen: »Am Anfang war ich euphorisch mitzumachen, dann setzte die Normalität ein, zwischendurch gab es auch Frustration: Ich hab doch schon genug Stress - und jetzt muss ich auch noch das Klima retten?« Insgesamt sei sie aber froh, teilgenommen zu haben. Und die Camping-Urlaube in Deutschland, die Flüge unnötig gemacht haben, seien sehr schön gewesen.
Offen ist bislang, ob der CO2-Rechner, mit dem die Teilnehmenden ihre Emissionen verfolgt haben, bald auch für alle zugänglich und nutzbar sein wird. Der Verwaltungsaufwand und die Kosten seien hoch und der Nutzen ungewiss, sagt Michael Bilharz vom Umweltbundesamt: »Wir wollen die Leute ja auch nicht zu CO2-Buchhaltern machen.«
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