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»Es reicht nicht, den Kapitalismus grün anzustreichen«
Klimaaktivist*innen starten mit Blockaden in Berlin eine »Aktionswoche zum Ergebnis der Kohlekommission«
»What do we want?«, ruft Nike Mahlhaus so laut sie kann in den Nachmittagshimmel. Dabei sitzt sie in ihrem weißen Anzug, einer roten Wollmütze auf dem Kopf und zwei Hämmern, dem Symbol der Aktionsgruppe »Ende Gelände«, auf der Invalidenstraße in Berlin Mitte, direkt neben dem Bundeswirtschaftsministerium. »Climate Justice!«, schallt es von Hunderten meist jungen Mitblockierer*innen zurück.
Sie wollen ein Zeichen setzen, dass sie unzufrieden sind mit dem in der letzten Woche getroffenen Kohlekompromiss. »Der Kompromiss ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen aus dem globalen Süden«, sagt sie. Mahlhaus ist Sprecherin von »Ende Gelände«, die seit Jahren für einen sofortigen Kohleausstieg protestieren und auch vor zivilem Ungehorsam und Baggerbesetzungen nicht zurückschrecken.
Die Aktion ist Teil deutschlandweiter Proteste und Auftakt für eine Aktionswoche zum Kohleausstieg. Anti-Kohle-Aktionen in Leipzig, Hamburg, München und Köln sollen stattfinden, gefolgt von einer dezentralen Aktionswoche im gesamten Bundesgebiet, heißt es im Aufruf. Ziel ist, dass der Ausstieg aus der Kohle wesentlich schneller vollzogen wird.
Die Gruppe der Aktivist*innen, die sich auf die Straße gesetzt haben, ist schnell von Polizisten umringt, die allerdings recht überrascht scheinen, dass die Aktivisten ihre Ankündigung, die Straße zu blockieren, auch wahrmachen. Es gibt kleine Rangeleien, eine Person wird weggetragen. »A-Anti-Anticapitalista!«, rufen die jungen Aktivist*innen. Die sich stauenden Autos fangen an zu hupen; es wirkt als seien sie Teil der Protestaktion.
Erst nachdem Nike Mahlhausen eine Weile überlegt, kann sie ein gutes Haar in der Kohlekompromisssuppe finden. »Positiv ist nur, dass der Kohleausstieg jetzt öffentlich Thema ist«, sagt sie schließlich, »und dass überhaupt mal über einen Ausstieg geredet wird.«
Wenige hundert Meter weiter blockiert eine andere Gruppe Aktivist*innen die Straße.»Eule«,»Kürbis«, »Kobold« schallt es aus dem Kreis der rund 50 Blockierer*innen. »Climate Justice Now!« steht auf ihrem Transparent. Maria Kramer, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, erklärt: »Das sind einzelne Bezugsgruppennamen. Wir haben ein Delegiertensystem und jede Frage wird in den Bezugsgruppen diskutiert und dann an die Delegierten zurückgegeben.« Maria Kramer sieht auch ihre persönliche Zukunft in Gefahr: »Ich zahle auch Pflege- und Rentenversicherung, dann können die Alten auch mal was für uns tun. Vor allem für die Menschen im globalen Süden, aber auch für mich persönlich. Ich möchte noch einige Jahrzehnte auf diesem Planeten leben können.« Kramer hofft, dass nun die »Regierung noch eine andere Entscheidung trifft. Das ist möglich, weil die Kohlekommission ja nur Empfehlungen formuliert hat.«
Am Vormittag hatten am Invalidenpark Schüler*innen unter dem Motto »Friday for Future« für ihre Zukunft und gegen den Kohlekompromiss demonstriert. »Das ging ineinander über. Die eine Demo endete und unsere fing an«, erklärt Marius Petrenz von Ende Gelände und beim Schülerstreik dabei. Er ärgert sich vor allem über die Grünen, die in NRW die Rodung des Hambacher Forstes mitbeschlossen und weiter verwaltet haben. »Es reicht nicht, den Kapitalismus grün anzustreichen«, sagt er.
Plötzlich Geschrei und Unruhe, die Polizei beginnt die Sitzblockade zu räumen. Einer nach dem anderen wird weggetragen. Nach rund einer Stunde ist die Blockade vor dem Invalidenpark geräumt, doch auf anderen Teilen der Straße und vor allem auf der anderen Seite des Wirtschaftsministeriums sammeln sich immer mehr Menschen. Maria Kramer steht alleine da. »Die Polizei hat meine ganze Bezugsgruppe verhaftet, von 'Eule' bin nur noch ich übrig. Jetzt machen wir aber eine Demo zum Knast und holen sie ab.«
Nach einigen Verhandlungen gibt die Polizei den Weg Richtung Moabit frei. »One Struggle, one fight! Ende Gelände, Hambi bleibt!«, rufen die verbliebenen rund 300 Aktivist*innen und ziehen am Hauptbahnhof vorbei, bis sie in einer Seitenstraße verschwinden. Langsam gehen auch Sprechchöre und Trommeln im Großstadtlärm unter.
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