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Sachsen droht Schwarz-Blau
Bevor die CDU im Freistaat mit der AfD regiert, sollte sie lieber eine Minderheitsregierung bilden, findet Robert D. Meyer
Politischer Realismus war noch nie eine Stärke der AfD. Deshalb ist das Planspiel der Rechten, sich die Option auf einen eigenen Kandidaten für die Wahl des sächsischen Ministerpräsidenten bis kurz vor der Landtagswahl am 1. September offenzuhalten, vor allem als effekthascherische PR-Maßnahme zu verstehen.
Als wahrscheinlicher Kandidat gilt Tino Chrupalla. Ihm gelang bei der Bundestagswahl 2017 der Überraschungserfolg, sich im Wahlkreis Görlitz gegen Michael Kretschmer (CDU) durchzusetzen, der nach seiner Niederlage, anstatt in der zweiten Reihe Reihe zu verschwinden, wenige Wochen später Stanislaw Tillich als Ministerpräsident beerbte. Aus AfD-Perspektive drängt sich für den Landtagswahlkampf geradezu die Erzählung vom bezwingbaren Ministerpräsidenten auf.
Kretschmer ist in Sachsen derzeit das letzte parteiinterne Bollwerk gegen eine mögliche Koalition aus CDU und AfD. Im Kampf gegen den sich im Freistaat grassierenden Rassismus muss man dem amtierenden Ministerpräsidenten Versagen vorwerfen - mit Ausnahme seiner wiederholten Erklärung, kein Bündnis mit der radikalen Rechten einzugehen.
Fährt Kretschmer am 1. September jedoch eine krachende Niederlage für die CDU ein, dürfte mit ihm auch das Tabu fallen, mit der AfD zu regieren. Lockerungsübungen sind längst nicht mehr nur aus der zweiten oder dritten Reihe zu vernehmen. CDU-Landtagsfraktionschef Christian Hartmann will solch eine Option aus »Respekt für die Wählerinnen und Wähler« nicht ausschließen, wie er kurz nach seiner überraschenden Wahl vergangenen Herbst in einem MDR-Interview verriet. Hartmann ist zuzutrauen, Kretschmers Verzicht auf eine Kandidatur als Ministerpräsident bei der Abstimmung im Landtag zu fordern, da beide mitnichten als enge Freunde gelten. Obwohl seit 2009 Innenexperte der Fraktion, kam Hartmann nie als Minister zum Zug. Als im September 2018 ein neuer Fraktionschef gefunden werden musste, war nicht er Kretschmers Wunschkandidat sondern der am Ende unterlegene Geert Mackenroth.
Auch die Umfragen sprechen gegen Kretschmer. Seit Monaten sagen diese der sächsischen CDU Verluste von zehn Prozentpunkten voraus, während die AfD mit einem Zuwachs auf bis zu 25 Prozent rechnen kann.
Und weil es der radikalen Rechten schon bei der Bundestagswahl gelang, im Freistaat knapp vor der CDU zu landen, konzentriert die Partei ihre Kräfte nun auf Sachsen. Laut »Spiegel« beschloss die Bundespartei Ende vergangenen Jahres, den sächsischen Wahlkampf mit 500 000 Euro zu unterstützen. Das ist doppelt so viel, wie dem AfD-Bundeskonvent die zeitgleich stattfindende Abstimmung in Brandenburg wert ist. Denn: Im Gegensatz zu den Parteikameraden in Potsdam und Thüringen (Hier überweist die Bundespartei 300 000 Euro) bietet sich in Sachsen eine reale Machtoption. Die hat nichts mit schlechteren Umfragewerten zu tun - in beiden Ländern kann die AfD ebenfalls mit 20 Prozent und mehr rechnen -, sondern vor allem mit der Fragen der Haltung der CDU: ob sie sich einerseits klar von der radikalen Rechten distanziert? Und wie offen zeigen sich die Konservativen gegenüber möglichen neuen Bündnisoptionen jenseits der AfD, etwa mit der Linkspartei?
Politisch maximal bedenklich ist das AfD-Spitzenpersonal mit Björn Höcke (Thüringen), Andreas Kalbitz (Brandenburg) und dem gerade frisch gekürten sächsischen Spitzenkandidaten Jörg Urban gleichermaßen. Alle drei gehören dem völkisch-nationalistischen Parteiflügel an, der auf dem Nominierungsparteitag der Sachsen-AfD am vergangenen Wochenende in Markneukirchen zahlreiche vordere Listenplätze besetzen konnte. Radikalisierte sich der Landesverband schon nach dem Abgang Frauke Petrys 2017 dürfte sich dies ab Herbst auch in der neuen Landtagsfraktion widerspiegeln.
Somit droht in Sachsen ein doppelter Dammbruch: Es geht nicht nur um die Frage, ob es zur ersten Koalition aus CDU und AfD kommt. Es könnten bald auch Personen für Regierungspolitik verantwortlich sein, die der Verfassungsschutz im Fokus hat, weil sie die offene, pluralistische Gesellschaft gefährden.
Sollte in der CDU politischer Restverstand existieren, sie wäre gut beraten, es im Zweifel mit einer Minderheitsregierung zu versuchen. Dagegen spricht, dass die Partei sich im Wahlkampf mit Werner Patzelt ausgerechnet von einem Politologen beraten lässt, der seine Expertise auch schon der AfD-Fraktion zur Verfügung stellte. Für die Wahl am 1. September heißt das nichts Gutes.
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