- Wirtschaft und Umwelt
- Bodenspekulation
Ran an den Boden
Die Linkspartei fordert Privatisierungsstopp, Rückkauf von Wohnungen und neue Steuern, um Spekulation zu unterbinden
Nicht nur die Mieten sind in den vergangenen Jahren explodiert, sondern vor allem die Bodenpreise. In manchen Städten sei der »Kipppunkt« erreicht, erklärte der Stadtforscher Werner Heinz am Donnerstag in Berlin, wo er eine Studie zur kommunalen Bodenfrage vorstellte, die er gemeinsam mit Bernd Belina im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung erstellt hat. So seien etwa in München die Bodenpreise in den letzten 70 Jahren um gigantische 34 000 Prozent gestiegen. Bundesweit gab es binnen 60 Jahren immer noch einen Anstieg um 1800 Prozent.
Die Studie interessiert sich aber weniger für die Oberfläche als für die Ursachen dieser Boden- und Immobilienpreisexplosion. Maßgebliche Triebkräfte sind demnach »die räumliche Konzentration von anlagesuchendem Kapital, aber auch von Wirtschaft und Bevölkerung«, befördert durch eine marktkonforme Liegenschaftspolitik der meisten Kommunen sowie die aktuelle Niedrigzinspolitik, erläuterte Heinz. »Heute werden Wohnungen nicht erstellt, um sie zu nutzen, sondern allein als Kapitalanlage.« Die Schlussfolgerung der Autoren: die Eigentumsfrage stellen. »In den Ballungszentren sollte städtischer Boden sukzessive in kommunales oder anderweitig nicht profitorientiertes Eigentum überführt werden.« Sie zielen dabei nicht auf die einzelne Eigentumswohnung oder das Einfamilienhaus, sondern auf finanzmarktgetriebene Immobilienkonzerne.
Dabei ist völlig unklar, wie viel Grund und Boden sich derzeit eigentlich in öffentlichem Besitz befindet. Ein öffentliches Boden- und Immobilienkataster gibt es nicht, sagte Heinz. Bekannt sind nur allgemeine Größenordnungen. So gehöre etwa in Ulm ein Drittel des Grund und Bodens der öffentlichen Hand, was nach Aussage des Wissenschaftlers als viel gilt.
Für die Linkspartei folgt aus der Studie zuallererst ein Privatisierungsstopp für öffentlichen Boden. »Die Forderung klingt banal, ist es aber nicht«, erklärte die wohnungspolitische Sprecherin Caren Lay. »Denn der Bund spekuliert noch immer mit.« Seit 2009 habe die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) 19 000 Liegenschaften mit rund 23 000 Wohnungen nach Höchstpreisgebot verkauft. Allein im letzten Jahr seien es noch 1153 Liegenschaften mit Hunderten Wohneinheiten gewesen, räumte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKE-Abgeordneten ein.
Zudem will die Partei die Spekulation mit Boden unterbinden. Ansatzpunkte dafür gibt es einige. So sollten Kommunen, statt Land zu verkaufen, Erbbaupachtverträge abschließen, forderte Lay. Das hätte den Vorteil, dass der Boden weiterhin ihnen gehört, aber privat zu ihren Bedingungen bebaut werden dürfte.
Andere Ideen knüpfen an die 1970er Jahre an, als die SPD umfassende Überlegungen zu einer Bodenreform angestellt hatte. Demnach könnten Steuern auf baureifes, aber unbebautes Land es unrentabel machen, auf eine Wertsteigerung zu spekulieren. Umgekehrt ist auch ein Baugebot denkbar. Eine weitere Option stellt die Idee dar, den »Planungswertzuwachs« steuerlich abzuschöpfen, der unter anderem dadurch entsteht, dass die öffentliche Hand in Infrastruktur investiert.
Wichtig wäre nach Lays Überzeugung auch die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit, die im Zuge des Skandals um das Wohnungsunternehmen »Neue Heimat« des DGB im Jahr 1990 abgeschafft worden war. Denn daraus ergibt sich die soziale Bindung der Eigentümer etwa durch Deckelung der Rendite sowie die Verpflichtung auf Reinvestition von Gewinnen. Ein Vorbild dafür könnte die Stadt Wien sein, wo die Bevölkerung im Schnitt nur 20 Prozent ihres Einkommens für Miete ausgeben muss. In Deutschland ist es ein Drittel.
Solche Ansatzpunkte würden bisherige Eigentumsverhältnisse allerdings nicht grundlegend ändern. Die Linkspartei fordert daher auch, das Vorkaufsrecht der Kommunen gesetzlich zu stärken. Haupthindernis für sämtliche Kaufpläne sind allerdings Schuldenbremse und Geldmangel. Lay plädiert daher für einen Bodenfonds des Bundes, der klammen Kommunen unter die Arme greift.
RLS-Cities: Rebellisch.Links.Solidarisch. Berlin-Konferenz zu Wohnen, Bauen, Stadt.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.