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Arbeitskampf legt BVG lahm
Ausstand der Beschäftigten zeigt große Streikbereitschaft
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ging am Freitag fast nichts. Weder U-Bahnen noch Straßenbahnen und kaum Busse fuhren am Freitagmorgen zu Betriebsbeginn. »Die Depots waren zu Betriebsbeginn geschlossen«, sagt Benjamin Scholz. Der junge U-Bahnfahrer – mit neongelber ver.di-Weste, Bart und Haare blond – steht freitagfrüh vor der Zentrale der BVG in der Holzmarktstraße in Berlin-Mitte. Seit 6.30 Uhr ist der Streikende vor Ort. Dass der Betrieb des Nahverkehrsunternehmens nach dem zeitlich bis 12 Uhr beschränkten Warnstreik reibungslos wieder anläuft, glaubt der U-Bahn-Fahrer zu dem Zeitpunkt nicht. Weil der BVG-Vorstand eine Notdienstvereinbarung nicht anerkannt hatte, rechnet er noch für den ganzen Freitag mit Störungen bei U-Bahn, Trams und Bussen. »Erst einmal müssen alle Punkte wieder besetzt werden, die alles regeln und an denen sich die Fahrer koordinieren können«, so Scholz am Morgen.
Wie groß die Personalprobleme und die Unzufriedenheit unter den rund 14 500 Beschäftigten der BVG in den laufenden Tarifgesprächen tatsächlich ist, zeigt die hohe Streikbereitschaft. Mehr als 3000 der Beschäftigten kamen am Freitagmorgen zu einer Kundgebung der Gewerkschaft ver.di vor der BVG-Zentrale. »Die BVG steht still«, sagt ver.di-Verhandlungsführer Jeremy Arndt. Die Beschäftigten antworten ihm mit Jubel und einem ohrenbetäubenden Trillerpfeifen-Konzert. Trotz wiederholter Aufrufe durch die BVG-Geschäftsführung zum Streikbruch konnten die Gewerkschafter keine Streikbrecher-Aktivitäten beobachten, hieß es.
Die Gewerkschaft hatte den Warnstreik anberaumt, weil nach der Sondierung und zwei Tarifgesprächen kein Angebot des Kommunalen Arbeitgeberverbandes vorliegt. BVG-Chefin Sigrid Evelyn Nikutta betonte im rbb, dass sie die Gewerkschaftsforderung nach einer 36,5-Stunden-Woche ablehne, da die Verkehrsbetriebe dann 500 Fahrer mehr bräuchten. »Das wäre jetzt für den Moment nicht die richtige Lösung, wenn wir ohnehin in diesem Jahr schon 1100 einstellen wollen«, sagte Nikutta.
Solche Aussagen kommen bei den Beschäftigten gar nicht gut an. »Wir liegen im bundesweiten Vergleich bei den Nahverkehrsverträgen auf dem vorletzten Platz«, sagt ver.di-Verhandlungsführer Jeremy Arndt. So würden S-Bahn-Fahrer in Berlin 900 Euro mehr verdienen – für eine ähnliche Arbeit. Und auch die BVG-Beschäftigten müssten in einer immer teueren Stadt ihre Miete bezahlen und den Kühlschrank füllen, so Arndt. Die Gewerkschaft erwartet deshalb, dass die Arbeitgeber noch vor der Verhandlungsrunde am 5. März ein Angebot vorlegen.
In Berlin sind die Auswirkungen des Streiks am Freitag spürbar: Autos stehen im Stau, viele Menschen sind zu Fuß unterwegs. Gut möglich, dass der Warnstreik angesichts der zähen Tarifgespräche nicht die letzte Arbeitskampfmaßnahme war.
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