Deutsche beim IS - Heimkehr unerwünscht

US-Präsident Trump stellt EU-Staaten Ultimatum: Rückkehr der gefangenen Dschihadisten oder Freilassung

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Es gibt nur selten Gründe, sich hinter Forderungen von Donald Trump zu stellen. Doch nun will der US-Präsident, dass Großbritannien, Frankreich, Deutschland und andere europäische Staaten mehr als 800 Gefangene zurücknehmen, die aus ihren Ländern stammen und für den Islamischer Staat (IS) gekämpft haben. Geschehe das nicht, seien die USA »gezwungen«, die Terrorkämpfer freizulassen, schrieb Trump wie üblich auf Twitter. Dann sei damit zu rechnen, dass sie nach Europa »eindringen«. Die USA würden dabei »ungern zusehen«.

Das klingt drohend und dennoch einleuchtend. Zumal deutsche Sicherheitsbehörden seit dem sich andeutenden militärischen Ende des IS in Irak und Syrien immer wieder davor gewarnt haben, dass ausgebildete und frustrierte Terror-Heimkehrer die Reihen der islamistischen Gefährder in Deutschland verstärken könnten. Doch die Regierung mauert - statt erfreut darüber zu sein, dass Trump offenbar kein neues Folterlager à la Guantanamo eröffnen will.

Die Forderung des US-Präsidenten sei »außerordentlich schwierig zu realisieren«, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Sonntag in der ARD. Eine Rückkehr der aus Deutschland stammenden IS-Anhänger wäre nur möglich, »wenn sichergestellt ist, dass diese Menschen hier sofort auch einem Verfahren vor Gericht zugeführt werden, wenn sie auch in Untersuchungshaft kommen«.

Wohlan, denn laut zuständigen Innenbehörden haben »alle deutschen Staatsbürger und so auch diejenigen, die in Verdacht stehen, für den sogenannten IS gekämpft zu haben, das Recht auf eine Rückkehr«, sagte eine Sprecherin aus dem Hause von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Natürlich respektiere man dabei berechtigte Strafverfolgungsinteressen von Staaten im Nahen Osten. Laut deutschem Recht kann auch das Tatortprinzip ausschlaggebend sein für den Gerichtsort.

In jedem Fall wäre Deutschland gefordert. Zumindest mit konsularischer Betreuung. Doch in Syrien könne die Bundesregierung »wegen der bewaffneten Auseinandersetzungen für dort inhaftierte deutsche Staatsbürger derzeit keine Rechts- und Konsularaufgaben wahrnehmen«, heißt es aus dem Innenministerium.

Das Argument ist nicht falsch, doch auch eine Schutzbehauptung. Wichtig wäre es, endlich herauszufinden, um welche Personen es sich handelt. Das ist nicht ganz einfach, weil verschiedenste, vor allem in Syrien gegen den IS kämpfende Truppen Gefangene gemacht haben. Trump spricht über Menschen, die im Gewahrsam der sogenannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) sind, die weitgehend unter US-Kommando stehen. Die politische Führung dieser zumeist kurdischen Kämpfer moniert seit einiger Zeit, dass europäische Staaten nicht zur Rücknahme ihrer Staatsbürger bereit seien. Unter denen sollen 60 bis 90 aus Deutschland stammen.

Auch im Gebiet um Idlib, das von der Al-Qaida-Gruppierung »Hai’at Tahrir al-Sham« (HTS) dominiert wird und von syrischen Truppen umstellt ist, vermuten Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz deutsche oder deutschsprachige Dschihadisten samt Familien. Trotz aller Schwüre, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen, wird die Masse bald in Gefangenschaft gehen. Die Frage einer Überstellung nach Deutschland wird sich dann verschärft stellen, denn Berlin muss sich dann mit dem Regime in Damaskus ins Benehmen setzen.

Seit 2013 sind rund 1050 Männer und Frauen in Richtung Kriegsgebiete aus Deutschland ausgereist. Rund ein Drittel dieser Aktivisten sei bereits zurückgekehrt, hört man aus dem Verfassungsschutzbereich. Dort spricht man öffentlich ungern über das Thema. Erstens, weil man offenbar keinen allzu exakten Überblick über die Personen und ihren Verbleib hat und zweitens, weil man befürchtet, Angst vor weiteren islamistischen Attentaten zu verbreiten.

Frankreich hatte zu Jahresbeginn angekündigt, 130 IS-Anhänger zurückzuholen, Großbritannien ist ebenso geneigt, Verantwortung für »seine« IS-Kämpfer zu übernehmen, Dänemark lehnt das strikt ab. Der Streit über die Rücknahme von IS-Kämpfern ist ein Armutszeugnis für die Gemeinschaft. Er zeigt erneut, dass es keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gibt. Denn abzusehen war das Problem und rein fachlich haben sich Geheimdienste der EU-Staaten auch abgestimmt. Beispielsweise bei den Zusammenkünften oder den Videokonferenzen der in Den Haag angesiedelten Counter Terrorism Group. An deren Beratungen nahmen bisweilen auch Vertreter von Europol und Vertreter der EU-Kommission teil.

Gewiss würden die Geheimdienste einzelne IS-Kämpfer gern zurückführen, um Informationen über Ziele der Terrororganisation zu bekommen. Die generell notwendige juristische Aufarbeitung der IS-Verbrechen und die Art, wie man individuelle Schuld rechtskonform feststellen kann, ist nur am Rande eine Aufgabe für die Experten der Nachrichtendienste.

Auch der Bundestag muss sich Kritik gefallen lassen. Seit Monaten ist das Thema IS nur eines am Rande der Regierungskontrolle. Nun fordert der Chef der Linksfraktion, Dietmar Bartsch: »Wenn es deutsche Staatsbürger sind, dann müssen sie nach Deutschland kommen und sollten hier auch vor ein Gericht gestellt werden.« Berechtigt moniert er, dass ausgerechnet diejenigen, die ganz schnell Leute abschieben wollten - auch in unsichere Herkunftstaaten -, nun mauern.

Auch der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour fordert die Rücknahme der Betreffenden. Sie müssten in Deutschland zur Rechenschaft gezogen werden. Doch der Beweis individueller Schuld wird nur in wenigen Fällen gelingen. Ohne eine effiziente Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union und ohne die Autorität eines Internationalen Strafgerichtshofs besteht kaum Aussicht auf notwendige Rechtsstaatlichkeit in Sachen IS.

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