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Linke kann sich Spaltung nicht erlauben
Spitzenkandidatin Özlem Demirel zu den Aussichten der Linkspartei bei der Europawahl im Mai
Es ist gerade noch ein Vierteljahr bis zur Europawahl. Was kann die LINKE in dieser Zeit überhaupt noch im Wahlkampf stemmen?
Der Europawahlkampf hat noch nicht begonnen - einige Parteien haben ja noch gar kein Wahlprogramm verabschiedet. Wir freuen uns auf einen kämpferischen und ehrlichen Wahlkampf. Wir werden deutlich machen, dass wir eine sozialere Politik brauchen, in Deutschland und europaweit. Dass Umweltschutz nicht weiterhin stiefmütterlich behandelt werden darf. Und es muss auch darum gehen klarzumachen, dass wir eine Europäische Union, die Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, die Menschenrechte mit Füßen tritt, so nicht akzeptieren können. Und dafür werden wir auch mobilisieren.
Meinen Sie, dass die LINKE an einem Strang zieht, was die Veränderungen der existierenden EU anbelangt?
In der Zielsetzung gegen Austeritätspolitik, gegen eine weitere Aufrüstung und für den Erhalt unserer Umwelt sind wir uns einig. Selbstverständlich diskutieren wir als Linkspartei über den Weg, wie wir zu einer friedlicheren, solidarischeren und sozialen Gesellschaft kommen können. Es ist auch normal, dass es in einer Partei, die in Bewegung ist, dazu verschiedene Vorstellungen gibt.
Diese Punkte finden sich alle im Wahlprogramm. Wie realistisch sind diese Forderungen?
Unser Programm beinhaltet sowohl Visionen als auch konkrete Schritte hin zu einer sozialeren Politik. Wie realistisch sie sind, beziehungsweise wie man sie umsetzen kann, hängt davon ab, wie viele Menschen sich für eine andere Politik einsetzen. Die Unzufriedenheit über die herrschende Politik ist groß. Trotzdem haben viele Menschen in der Vergangenheit nicht an Wahlen teilgenommen. Ich gehe davon aus, dass die Beteiligung an den Europawahlen diesmal deutlich höher sein wird, weil viele Menschen klar machen wollen, dass wir eine sozialere Politik in diesem reichen Europa brauchen.
Bei anderen Parteien und Bewegungen auf der linken Seite - beispielsweise European Spring - oder teilweise auch bei den Grünen gibt es ähnliche Forderungen. Was unterscheidet die LINKE von diesen?
Ein Alleinstellungsmerkmal der LINKEN ist tatsächlich, dass wir sagen, wir brauchen keine weitere Militarisierung, wir sind gegen den europäischen Verteidigungsfonds und gegen eine europäische Armee, die zusätzlich zu den nationalen Armeen aufgebaut wird. Das vertreten die Grünen so nicht.
Das andere ist, dass wir glaubwürdig dafür streiten, dass es eine andere Politik gibt. Sehen Sie mal, Parteien wie die Grünen waren in den vergangenen Jahren in den Regierungen, auch in Deutschland. Und Deutschland ist ein Schwergewicht innerhalb der Europäischen Union. Das heißt, Deutschland diktiert sehr wohl die Richtung, in die sich die EU bewegt. Und diese Richtung war in den vergangenen Jahren falsch. Nichtsdestotrotz: Wenn es Schnittpunkte gibt mit anderen Parteien, und das ist in einigen Punkten durchaus der Fall, werden wir natürlich zusammenarbeiten.
Bündnisse sind wichtig. Wenn man sich aber die europäische Linke anschaut, ist deren Zustand momentan etwas desolat. Steht die LINKE mit ihrem Ansatz, die Europäische Union konstruktiv zu verändern, bald allein?
Nein. In der Linksfraktion im Europäischen Parlament beispielsweise arbeiten wir mit vielen verschiedenen Linksparteien aus der EU zusammen. Wir sind breit aufgestellt, und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es auch nach den Wahlen sein werden. In einer Zeit, in der zum Teil faschistische Kräfte oder rechtspopulistische Kräfte stärker werden, darf es sich die politische Linke nicht erlauben, sich jetzt selber zu spalten. Da muss man sich auch mal zusammenreißen. Man muss die Punkte genau herausarbeiten, an denen es Konsens gibt.
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