Kein Sterbenswörtchen von den Grünen

In Hessen versagt die »Bürgerrechtspartei« in Sachen Fanrechte ebenso grandios wie bei NSU-Akten, findet Christoph Ruf

Am Donnerstag haben die Frankfurter Fans ein besonderes Spiel gesehen. Die Eintracht hat Schachtjor Donezk mit 4:1 bezwungen und dabei nicht nur nach Aussage ihres Trainers das beste Spiel unter seiner Ägide gemacht. Die Stimmung im an sich schon lautesten Stadion der Liga war so gut, dass der Spieler Danny da Costa berichtete, er hätte den Eindruck gehabt, dass gleich die Tribünen zusammenbrechen.

Zur Feier des Tages hatten die Eintracht-Fans eine aufwändige Choreographie geplant, um einen der größten Feiertage entsprechend zu orchestrieren. Ein Mann jedoch hatte etwas dagegen: Peter Beuth, der hessische Innenminister, der aus den - wie so oft verdächtig enthusiastischen - Worten von Eintracht-Präsident Peter Fischer messerscharf folgerte, dass die Fans vorhaben, die halbe Kurve in Flammen zu setzen. Dabei waren Fischer nur mal wieder in vollem Tempo die Gäule durchgegangen: »Das Stadion muss brennen, und wenn ich sage, dass das Stadion morgen brennt, dann brennt das morgen! Und zwar so, dass ihr kaputtgeht, weil ihr viel zu viel Licht habt, und deshalb könnte das Spiel vielleicht ein bisschen neblig für euch werden.« Fischer hat später argumentiert, er habe gemeint, dass die Luft brennen werde. Er spreche auch von Hexenkesseln und meine damit nicht, dass 48.000 Hexen im Stadion herumfliegen.

Die Fans jedenfalls hatten keine Zündeleien geplant, denn sie wussten, dass sie dann für ein Auswärtsspiel in Europa gesperrt werden würden. Beuth hingegen schien es offenbar schlüssig, dass eine aus mehreren tausend Menschen bestehende Kurve zu Bengalo und Rauchtopf greift, wenn sich ein Vereinspräsident (!) in einem Interview von seinem Enthusiasmus leiten lässt. Wie Ultras ticken, die sich vielem verpflichtet fühlen, aber nicht Spieler- oder Präsidenteninterviews - das weiß kaum ein Politiker.

Aber Beuth interessieren solche Feinheiten auch nicht. Und da Ministerien und die Polizei tatsächlich so hierarchisch funktionieren, wie sie es dem komplexen Innenleben eines Fußballvereins unterstellen, hieb die hessische Polizei mit eiserner Faust in die Wasserpfütze und durchsuchte sowohl die Kurve als auch Fanräume mit massiven Einheiten. Gefunden wurde: nichts. Dafür wurde ein Transparent konfisziert, das laut Polizei soooo menschenverachtend war, dass man den Inhalt einfach nicht publik machen konnte. Publik wurde es natürlich trotzdem. Und siehe da: Es war einfach nur hohl. »Beuth, der Ficker fickt zurück!« Wenn das einen solchen Polizeiaufwand rechtfertigt, drohen Pausenhöfen und Fußgängerzonen noch unzählige Razzien.

Wer sich darüber wundert, dass CDU-Innenminister einen Hang zu Populismus und Wildwest haben, muss sehr jung sein. Denn das war noch nie anders. Komisch ist allerdings, dass sich halb Deutschland von morgens bis abends darüber aufregt, dass der Wahnsinnige in Washington an der Grenze zu Mexiko eine Mauer bauen will, die Bürgerkriegsspiele der Herren Beuth und Reul (NRW) aber als eine politische Option von vielen verhandelt werden. Dabei sind Politiker, die Hundertschaften verheizen, um nach Pyrotechnik zu suchen und, nachdem sie nichts gefunden haben, dennoch von einer angemessenen und erfolgreichen Maßnahme sprechen, genauso ideologisch und irrational wie Trump. Und damit ähnlich gefährlich.

In Hessen regiert die CDU allerdings nicht alleine, sondern mit den Grünen. In deren Programm steht, dass »das Vertrauen in den Staat (..) durch rechtswidrige Massenüberwachung, das Eigenleben des Verfassungsschutzes und den NSU-Skandal beschädigt« worden sei, man verfechte das Leitbild der »bürgernahen Polizei«. De facto wurde aber in Wiesbaden unter schwarz-grüner Verantwortung beschlossen, dass die Sperrfrist für die Akten des Landesverfassungsschutzes zum NSU schlappe 120 Jahre beträgt.

Von der vermeintlichen »Bürgerrechtspartei« hörte man nichts, als es um die NSU-Akten ging. Nun hört man von ihr nichts, wenn es um Herrn Beuth geht. Weder als der Mann ernsthaft Haftstrafen für Pyrotechnik forderte, noch jetzt, da ein von ihm verantworteter Polizeieinsatz dermaßen in die Hose ging, hört man auch nur ein Sterbenswörtchen aus der grünen Partei oder Landtagsfraktion. Oder ist das beredte Schweigen nur die eigentliche Umsetzung des Parteiprogramms? Dort steht schließlich auch vieles darüber, dass »Lärm krank macht«. Das mag stimmen. Noch ungesünder ist aber Ruhe im falschen Moment.

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