May bereit zu Verschiebung des EU-Austritts auf Ende Juni

Britische Premierministerin will mit dem Vorschlag ihren Kritikern zumindest etwas entgegenkommen

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London. Die britische Premierministerin Theresa May will das Parlament über eine Brexit-Verschiebung abstimmen lassen. Das sagte May am Dienstag bei einer Erklärung im Unterhaus.

May will den Abgeordneten die Wahl zwischen einem ungeregelten Brexit oder einer »kurzen Verlängerung« der Austrittsfrist anbieten, sollte sie bis zum 12. März mit ihrem Brexit-Abkommen erneut scheitern. Noch am Montag hatte die Premierministerin erklärt, sie halte am Austrittsdatum 29. März fest.

Die Abstimmungen über einen No-Deal-Brexit und eine Verschiebung des EU-Austritts sollen spätestens am 13. und 14. März stattfinden, kündigte May an. »Das Vereinigte Königreich wird am 29. März nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Unterhauses ohne Deal austreten«, sagte die Regierungschefin. Ein späterer Austritt ohne Abkommen sei aber weiterhin möglich.

Mit dem Vorstoß will May eine Rebellion in ihrer Fraktion abwenden. Die Regierungschefin muss bei einer Abstimmung am Mittwoch über die weiteren Brexit-Schritte damit rechnen, die Kontrolle über das Verfahren zu verlieren. Mehrere Regierungsmitglieder drohen offen damit, für einen Antrag zu stimmen, der May zum Verschieben des Austritts zwingen könnte.

Bis zu 15 Parlamentarische Staatssekretäre seien bereit, ihre Ämter niederzulegen, berichtete die »Daily Mail« am Dienstag. Drei bekannten sich dazu, im Notfall parteiübergreifend im Parlament gegen May zu stimmen, um einen No-Deal-Brexit abzuwenden: Industrie-Staatssekretär Richard Harrington, Margot James (Digitales) und Claire Perry (Energie). Die Regierung müsse einen kühlen Kopf bewahren, heißt es in einem Gastbeitrag der drei Politiker in dem Blatt. Die Folgen eines No Deal wären für die Wirtschaft gravierend.

Auch in Deutschland werden bei einem ungeordneten Brexit Milliardenbelastungen erwartet: Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet in diesem Fall mit einem Rückschlag für die deutsche Wirtschaft in der Größenordnung von mindestens einem halben Prozent des Bruttoinlandsprodukts. »Das wären rund 17 Milliarden Euro weniger Wirtschaftskraft allein in diesem Jahr«, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang in Berlin. Großbritannien werde dann in eine Rezession stürzen. Der BDI hat seit längerem eine »Task Force« gebildet, um Unternehmen auf einen No Deal vorzubereiten.

Für einen Paukenschlag sorgte am Montagabend der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn: Er kündigte an, seine Partei stelle sich hinter die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum. Zuvor will die Labour-Partei jedoch versuchen, die Regierung von ihren eigenen Brexit-Plänen zu überzeugen. Labour setzt sich dafür ein, dass Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleibt. Das lehnt May jedoch kategorisch ab.

Die Regierungschefin bemüht sich bisher vergeblich um Nachbesserungen an dem mit Brüssel ausgehandelten Austrittsabkommen. Eine erneute Abstimmung über den im Januar vom Parlament mit überwältigender Mehrheit abgelehnten Deal in dieser Woche hatte May daher ausgeschlossen. Grund war vor allem die umstrittene Auffanglösung, die eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindern soll. May versprach aber, das Abkommen bis zum 12. März erneut zur Abstimmung zu stellen.

Großbritannien hatte nach dem Brexit-Referendum von 2016 den Austritt aus der EU am 29. März 2017 offiziell erklärt. Nach Artikel 50 des EU-Vertrages endet daraufhin spätestens nach zwei Jahren die Mitgliedschaft - »es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern«, wie es in dem Vertrag heißt. Damit müssten einem britischen Antrag auf Verlängerung alle anderen 27 EU-Staaten zustimmen. Agenturen/nd

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