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Human Rights Watch beklagt Folter gegen Kinder bei IS-Verdacht
Menschenrechtsorganisation kritisiert Vorgehen irakischer und kurdischer Behörden / Willkürliche Festnahmen und ungerechte Prozesse beklagt
Bagdad. Kinder in Irak werden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) bei Verdacht auf Verbindungen zur IS-Miliz in »äußerst mangelhaften« Gerichtsverfahren verurteilt. Die Prozesse erfolgten auf Grundlage dünner Beweise, Geständnisse würden durch Folter erzwungen, teilte Human Rights Watch am Mittwoch mit. Die Organisation veröffentlichte einen Bericht, der auf Interviews mit 29 Kindern und Jugendlichen basiert, die von den irakischen Behörden oder Sicherheitskräften im irakischen Kurdengebiet inhaftiert worden waren oder noch im Gefängnis sitzen.
Seitdem Irak Ende 2017 den Sieg über die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verkündete, werden Männer, Frauen und Kinder mit Verdacht auf IS-Zugehörigkeit verfolgt. »Die Kontrollen, Untersuchungen und die Verfolgung von Kindern als IS-Verdächtige durch die irakischen Behörden und die kurdische Regionalregierung sind völlig verzerrt, führen oft zu willkürlichen Festnahmen und zu ungerechten Prozessen«, kritisierte HRW.
Zahlreiche Jungen seien auf Grundlage schwacher Beweise in Lagern und an Kontrollpunkten festgenommen worden. Sie seien geschlagen worden, mit Elektroschocks gefoltert worden, ohne dass ihnen das Recht auf ein Treffen mit Angehörigen oder juristischen Beistand gewährt worden sei.
Die IS-Miliz hatte zahlreiche Kinder rekrutiert und indoktriniert. Die meisten der von HRW befragten Kinder erklärten, nie mit der IS-Miliz gekämpft zu haben.
Laut HRW fanden die Prozesse gegen die Kinder ohne Anwälte und in kurdischer Sprache statt, die von arabischen Kindern nicht verstanden wird. Im Kurdengebiet beliefen sich die Haftstrafen auf sechs bis neun Monate, während die staatlichen Justizbehörden Strafen bis zu 15 Jahren Gefängnis verhängten. Demnach wurden die Kinder in überfüllten Gefängnissen zusammen mit Erwachsenen inhaftiert, was den internationalen Standards widerspricht.
Nach Schätzungen von HRW hielten die irakischen und kurdischen Behörden Ende 2018 rund 1500 Kinder wegen Verdachts auf IS-Zugehörigkeit fest. Hunderte Kinder, darunter mindestens 185 aus dem Ausland, wurden bereits wegen Terrorismus verurteilt.
Es handele sich eher um »blinde Rache« als um »Gerechtigkeit für die Verbrechen des IS«, erklärte die HRW-Kinderrechtsexpertin Jo Becker. »Die in bewaffnete Konflikte verwickelten Kinder haben das Recht auf Rehabilitation und Reintegration, nicht auf Folter und Gefängnis.« Die irakischen Behörden müssten die Festnahme von Kindern wegen des Verdachts auf IS-Zugehörigkeit beenden und alle Minderjährigen freilassen, mit Ausnahme derjenigen, denen Gewaltverbrechen vorgeworfen würden. AFP/nd
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