Braune Esoterik

In der Esoterik gibt es Sekten-Beobachtern zufolge immer stärkere antisemitische und rechte Bestrebungen.

  • Lisa Forster
  • Lesedauer: 3 Min.

Gera. Wer auf ein Festival der »Anastasia«-Bewegung geht, kann verschiedene Dinge lernen: Herzens-Meditation, das Herstellen von Wildkräutersaft oder Traumfänger basteln. Er kann aber auch - wie im September 2017 in Mittelthüringen nahe Kölleda - Workshops von Menschen besuchen, die antisemitische oder verschwörungstheoretische Ideen verbreiten.

Darauf weist der Sektenbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Matthias Pöhlmann, hin. Die »Anastasia«-Bewegung ist ihm zufolge ein Beispiel dafür, dass in der Esoterik-Szene immer stärkere Verbindungen zu rechtem Gedankengut zu finden sind. »Es gibt seit kurzem verstärkt esoterische Angebote, die eine Nähe zu rechtsradikalen oder verschwörungstheoretischen Ideen aufweisen«, sagte Pöhlmann der Deutschen Presse-Agentur. Am Dienstag sollte er auf einer Veranstaltung der Ökumenischen Akademie in Gera über das Thema referieren.

Die Ideen der »Anastasia«-Bewegung, die auf eine Buchreihe des russischen Autors Vladimir Megre zurückgeht, klingen auf den ersten Blick nach alternativen Lebensentwürfen und Ökologie. Eine zentrale Idee der Bücher ist, dass jede Familie ein Stück Land hat und bewirtschaftet, die sogenannten Familienlandsitze. Doch wer einen genauen Blick in die Texte werfe, stoße auf antisemitische und verschwörungstheoretische Ideen - da sind sich Pöhlmann, das Thüringer Innenministerium und die Beratungsstelle für Rechtsextremismus Mobit e.V. einig.

Die Bewegung ist laut Pöhlmann inzwischen auch in Deutschland verbreitet, doch genaue Zahlen fehlen. Das »Anastasia«-Festival, das 2017 im Kreis Sömmerda stattfand, besuchten den Veranstaltern zufolge rund 500 Menschen. Der Thüringer Verfassungsschutz beobachtet die Gruppe nicht, wie eine Sprecherin sagte. Doch dass diese mehrere Treffen in Thüringen hatte und die Texte antisemitische Bezüge aufweisen, stellte bereits das Innenministerium fest.

Im Dezember 2018 antwortete dessen Staatssekretär Uwe Höhn im Landtag auf eine mündliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten Madeleine Henfling und berichtete von mehreren »Anastasia«-Treffen in Thüringen, die zwischen 2015 und 2017 stattgefunden haben sollen. Auch wenn es keine Hinweise auf die Teilnahme von Rechtsextremisten gegegen habe, weise die »Anastasia«-Buchreihe Bezüge zum Antisemitismus und zur Reichsbürger-Szene auf.

Pöhlmann hat beobachtet, dass der Esoterik-Markt zunehmend Bücher und Seminarangebote umfasst, die rechtsextreme Vorstellungen verbreiteten. Auch auf Veranstaltungen und Festivals in Deutschland sowie auf Internetplattformen würden diese Ideen weitergegeben. »Braune Esoterik« wird das im »Handbuch Weltanschauungen« der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands genannt. Ein Mitarbeiter der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral (KAMP) in Erfurt, der früher in der Sektenbeobachtung tätig war, befürchtet ebenfalls, dass rechtsextreme Tendenzen in der Esoterik stärker geworden sind.

»Nicht jeder, der sich mit Esoterik beschäftigt, ist rechtsextrem«, betont Pöhlmann. Doch manche Autoren und ihre Anhänger deuteten Geschichte beispielsweise durch das Raster von Karma und Reinkarnation. Opfer der Geschichte seien nach dieser Lesart wegen eines schlechten Karmas selbst Schuld an dem, was ihnen widerfährt. In einer anderen Lesart wird zum Beispiel die Idee vertreten, Politiker seien keine Menschen, sondern Außerirdische.

Ein grundlegender Ansatzpunkt der Esoterik sei die Annahme, dass es ein von den »Mächtigen« unterdrücktes Wissen gebe, erklärt Pöhlmann. Das überschneide sich mit der anti-institutionellen Haltung des Rechtspopulismus'. »Das passt zum Nerv der Zeit und der Idee alternativer Lebensmodelle«, meint der Sektenbeobachter. »Und das trifft auf das momentane Wut- und Protestpotenzial in unserer Gesellschaft.« dpa/nd

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