Steuerzuschuss in Aussicht

Die SPD will die Pflegefinanzierung reformieren, Minister Spahn fordert Grundsatzdebatte

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Mindestens einmal im Quartal, wenn nicht sogar häufiger, gibt es für die Politik Gelegenheit, auf grundlegende Mängel in der Pflege hinzuweisen und bereits diskutierte Lösungsansätze erneut zu benennen. Neben der Personalnot sowohl in Heimen wie in der ambulanten Pflege ist ein anderer wichtiger Aspekt die weitere Finanzierung. Sie wurde anlässlich des am Donnerstag beginnenden Pflegetages von der SPD auf die Agenda gehoben, nachdem sozialdemokratische Politiker schon in den letzten Wochen auf ihre Vorstellungen zu dem Thema hingewiesen hatten.

Der in diesen Tagen in Berlin stattfindende Pflegetag ist wiederum einer der preiswerteren Kongresse, das Tagesticket ist für Azubis in einer Zehnergruppe schon für 70 Euro zu haben. Sollten Pflegekräfte in Ausbildung die Veranstaltung besuchen, dürfte sie schon interessieren, wie ihre Löhne finanziert werden, vor allem, wenn sie wie angekündigt, noch steigen sollen. Dass hier ein wachsender Kostenfaktor vorliegt, wurde auch deshalb immer klarer, weil ohne einen deutlichen Einkommenszuwachs neue Arbeitskräfte nicht zu gewinnen sind. Ein realistisches Konzept für die Pflegeversicherung muss demnach mit mehreren Faktoren rechnen, die alle in den nächsten Jahren steigende Kosten verursachen: Mehr Pflegebedürftige, mehr zu zahlende Pflegeleistungen und höhere Entgelte in der Branche.

Schon mit dem Wechsel von Pflegestufen zu Pflegegraden 2017 und der Neuaufnahme von Leistungen für Menschen mit Demenz stiegen die Ausgaben der Pflegekassen. Im vergangenen Jahr lief bei der gesetzlichen Pflegeversicherung ein Defizit von mehr als 3,5 Milliarden Euro auf. Zu Jahresbeginn war der Beitragssatz um einen halben Prozentpunkt angehoben worden, das reicht aber nach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gerade bis zum Jahr 2022. Inzwischen könnten die Lohnkosten schon allein durch die absehbare Einführung eines einheitlichen Tarifvertrages für alle Trägerbereiche (konfessionell, frei-gemeinnützig, privat, kommunal) ansteigen. Aufgefangen wurden die Ausgabensteigerungen der letzten beiden Jahre häufig durch steigende Eigenanteile der Versicherten bei den Heimkosten. Hier setzt auch der Vorschlag der SPD an, die diese Ausgabe deckeln wollen, damit sie »kalkulierbar und verlässlich« würde. Schon seit Jahren können aber viele Pflegebedürftige ihren Eigenanteil nicht vollständig selbst zahlen. Wenn auch nahe Angehörige dazu nicht herangezogen werden können, müssen die Kommunen einspringen. 2017 lagen die Hilfen zur Pflege, die in ganz Deutschland im Rahmen der Sozialhilfe gezahlt wurden, bei fast vier Milliarden Euro. Auch dieser Ausgabenposten dürfte einer der Treiber sein, warum SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nun sowohl über einen Steuerzuschuss reden will als auch die Versicherungspflicht für Beamte und Selbstständige für notwendig hält. Damit nähert sich die SPD für die Pflege (wieder) dem Konzept der Bürgerversicherung. Es wurde als Modell auch für die Krankenversicherung schon früher von Bündnis 90/Die Grünen, der Linkspartei und vielen Arbeitnehmerverbänden favorisiert, kam aber nie zur Anwendung, weil die SPD davor zurückschreckte.

Über den Bundesrat strebt der rot-grün-regierte Hamburger Senat seit Februar eine ähnliche Kostendeckelung bei den Eigenanteilen für Pflegeheime an. Nach diesem Modell sollten darüber hinaus steigende Kosten durch die Pflegeversicherung und die Steuerzahler getragen werden.

Eine Steuerfinanzierung schloss auch Minister Spahn letztens nicht aus, forderte jedoch im Januar erst einmal eine Grundsatzdebatte zur Pflegefinanzierung. Einen Bundeszuschuss für die Pflege verlangt auch der Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen. Die Krankenversicherungen sollten hingegen für die medizinische Behandlungspflege auch in Heimen in Anspruch genommen werden, findet der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus (CDU). Dort würden ja momentan Überschüsse erzielt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -