Milchmännchens Rechnung

Der »bereinigte« Gender Pay Gap ist unsauber, findet Lotte Laloire

  • Lotte Laloire
  • Lesedauer: 2 Min.

Nur ein Schwanzvergleich unter Statistiknerds, so scheint es. Es geht darum, ob der »bereinigte« oder der »unbereinigte« Gender Pay Gap der richtige Wert für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen ist. Diese Frage ist hochpolitisch. Als »Bullshit« bezeichnen Typen auf Twitter den »unbereinigten« Wert von 21 Prozent, den das Bundesamt für Statistik zum Equal Pay Day veröffentlicht hat. Ein Autor vom Onlinemagazin Telepolis meinte einmal, in der Zahl schlummere ein »Irrtum«, sie verfälsche »die tatsächliche wirtschaftliche Lage der meisten Männer«. Neunmalkluge, Normalos, Konservative und Rechte bemühen statt der realen 21 Prozent häufig den niedrigeren Wert von sechs Prozent. Doch dieser »bereinigte« Wert ist alles andere als eine saubere Sache. Denn dabei werden alle möglichen Faktoren ignoriert, die den Gender Pay Gap beeinflussen - vom Wirtschaftszweig und der Berufsgruppe über die seltenere Beförderung weiblicher Beschäftigter, bis hin zu den Dienstjahren. Frauen sammeln oft weniger Jahre an, weil in den aller meisten Fällen sie diejenigen sind, die Pausen für unbezahlte Haus-, Sorge- und Familienarbeit einlegen (müssen). Damit verbunden sind oft überproportional schlecht entlohnte Teilzeitjobs. All das wollen manche offenbar ignorieren. Der Sexismus wirkt dann direkt weniger schlimm.

Lesen Sie auch: Je reicher, desto ungleicher - Studien zum Equal Pay Day belegen anhaltenden Sexismus.

Zu dieser Milchmännchenrechnung gehören Märchen, die sowohl Männer als auch Frauen leider immer wieder abspulen - oft unbewusst: So heißt es, Frauen ergriffen schlechter bezahlte Berufe (stimmt teilweise), dadurch entstehende Unterschiede sollten nicht berücksichtigt werden (Bullshit), sie seien »natürlich« (Irrtum) oder rührten aus »freien Entscheidungen« der Frauen (falsch). Am »bereinigten« Gender Pay Gap ist vor allem eines richtig: Durch ihn lässt sich die Schuld an der Misere den Benachteiligten selbst in die Schuhe schieben, statt etwas im zurückgebliebenen Deutschland und auf seinem Ausbeutermarkt ändern zu müssen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.