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Die Macht des Mandellikörs
Jugend ist der Geschmack von damals: Erzählungen von Jiri Hájicek
Allergie kann auch schön sein, liest man bei Jiří Hájíček in seinem Erzählband »Dann blühen die Gräser«. Er ist Jahrgang 1967, hierzulande noch nicht so bekannt, doch in Tschechien hat er schon zweimal den Magnesia Litera, Tschechiens höchsten Literaturpreis, erhalten.
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Jiri Hájicek: Dann blühen die Gräser.
A. d. Tschech. v. Julia Miesenböck. Wieser-Verlag, 120 S., geb., 17,90 €.
In der Titelstory »Dann blühen die Gräser« besucht Pavel Doktor Bartl, einen älteren Arzt im Ruhestand, der sich auf ein abgeschiedenes Anwesen auf dem Lande zurückgezogen hat, um sich von ihm untersuchen zu lassen. Er ist ein berühmter Allergologe. Doch nicht die medizinische Prozedur ist von Belang, sondern die freundschaftliche, beinahe intime Kommunikation zwischen Pavel und dem Arzt. Nebenher erfährt der Leser, dass der Arzt nach dem Ende des »Prager Frühlings« 1968 um die für ihn bestimmte Dozentur gebracht worden war und dieselben Leute, die das zu verantworten hatten, später seinen Werdegang nochmals negativ bestimmten. Dr. Bartl kommt immer wieder auf die Ideale von Tomáš Garrigue Masaryk, dem ersten Präsidenten der Tschechoslowakei, zurück, derer man sich wieder besinnen sollte: Ordnung, Heimat, Familie und humanistische Ideale. Obwohl sich sein Alltag in der abgelegenen Ortschaft freudvoll gestattet, habe er die Rechten gewählt, gesteht er.
In der »Geschichte einer Liebhaberin von Kognakspitzen« treffen zwei Frauen aufeinander, die sich über 25 Jahre nicht gesehen haben. Die eine ist nach 1968 aus ihrem Heimatort nach Österreich geflüchtet und besucht nun eine Freundin aus der Jugendzeit. Sie plaudern in einem Café über frühere Zeiten. Und es reift die Erkenntnis: Jugend ist der Gedanke, dass alles Schöne erst komme. Das gilt allerdings nicht für den vormaligen Geliebten der Geflüchteten. Er war in der Zeit der »Normalisierung« zu einem hochrangigen Parteifunktionär aufgestiegen, wurde nach 1989 aus dem Amt entfernt und leitet nun ein Bordell unweit der Grenze zu Österreich. Wie der Dialog der beiden Frauen anfangs von Skepsis geprägt ist, punktuell sogar von Hass, zunehmend herzlicher wird, das zeugt von literarischer Meisterschaft.
Vom gleichen Gestus lebt »Der Engel auf dem Dachboden«. Eine junge Frau kommt in der Weihnachtszeit in ein einsames Dorf, um eine Verwandte aufzusuchen, landet aber versehentlich bei einer anderen Frau, die - wie sich herausstellt - ihren Vater gut kennt. Sie gesteht, dass er einst unzählige Jungenstreiche verübt habe, um sie zu beeindrucken. Einmal habe er gar eine goldene Engelsfigur aus der Kirche gestohlen und an sie als Liebesbeweis übergeben. Während dieses etwas mühsamen Gesprächs trinken die beiden die Flasche Mandellikör aus, die eigentlich als Geschenk gedacht war. Schließlich steigen sie nachts gemeinsam auf den Dachboden, um dort eine Schachtel zu öffnen, in der sich ebenjener Engel befindet. Und dann wollen beide, ziemlich angesäuselt, das Corpus Delicti in die Kirche zurückbringen, werden aber dabei zufällig beobachtet.
Wenig passiert in diesen Erzählungen, doch im Hintergrund schwelen die Konflikte, die das banale Alltagsgeschehen eine Stufe höherheben. Das Erzähltalent des Schriftstellers ist unverkennbar.
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