Trauerkranz mit Reichsadler

Beisetzung des Chemnitzer Hooligans Thomas Haller wird ein juristisches Nachspiel haben

  • Fabian Hillebrand und Sebastian Bähr, Chemnitz
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie kamen mit Sturmhaube im Gesicht und weißer Rose in der Hand: 1000 Menschen, darunter zahlreiche Hooligans, haben am Montag in Chemnitz dem verstorbenen Nazihooligan Thomas Haller gedacht. Mit einem Trauerzug zogen sie vom Alt-Chemnitz Center zur St. Michaelis Kirche, wo eine Andacht abgehalten wurde. Viele Gäste trugen Blumenkränze, selten sprachen sie. Ihre Jacken waren schwarz, die Kapuzen tief in die Gesichter gezogen, die Schals vor den Mündern.

Erst auf den zweiten Blick schälten sich die einschlägigen Symbole aus der Masse: Auf einem der Blumenkränze prangte ein Reichsadler, manche Gäste trugen in der rechten Szene beliebte Kleidungsmarken wie Thor Steinar. Fans des Chemnitzer FC, 1. FC Magdeburg und Dynamo Dresden gaben sich zu erkennen, mit offiziellen Vereinsbekundungen hielt sich die Menge jedoch zurück. Ein Spruchband der Kirche hing über den Köpfen: »Die Liebe Gottes kennt keine Grenzen.«

Während in einer Kirche die eigentliche Trauerzeremonie lief, warteten Hunderte vor und auf dem Friedhofsgelände. Auch Pegida-Vize Siegfried Däbritz war vor Ort. Anwesende Journalisten wurden gezielt angesprochen, bedroht und von den angeblich Trauernden gefilmt. Zahlreiche Teilnehmer hatten sich zudem vermummt.

Offensichtlich gibt es in der Stadt aber noch deutlich mehr Sympathien für Haller. Vorbeifahrende Autofahrer reckten den Daumen nach oben, während sie am »Trauermarsch« vorbeifuhren. Es schlossen sich auch viele Menschen dem Zug an, die nicht auf den ersten Blick als Rechtsradikale zu erkennen waren.

Mehrere Hundert Polizisten waren im Einsatz, hielten sich aber im Hintergrund. Die Gefährdungslage sei »schwer einzuschätzen«, hieß es. Der »Trauerzug« war zuvor nicht angemeldet worden. Die Polizei bewertete ihn als eine private Veranstaltung. Am Nachmittag löste sich die Menge auf und zog in kleinen Gruppen in die Chemnitzer Innenstadt. Der Sozialwissenschaftler David Begrich sagte: » Dies war keine Trauerfeier, dies war eine Machtdemonstration.«

Vor allem Journalisten sollten den Zorn der Hooligans auf sich ziehen. »Ihr kommt auch noch dran« und »Wir haben Fotos von euch« wurde den Pressevertretern entgegen gerufen.

Die Veranstaltung wird wohl noch ein juristisches Nachspiel haben. Der Fußball-Regionalligist Chemnitzer FC wird wegen der Verwendung des offiziellen Vereinslogos bei der Beerdigung von Haller Strafanzeige erstatten. Dies teilte der Verein mit. Wie der Klub in einem Statement schrieb, seien am Montag bei der Zeremonie Vereinsembleme ohne Zustimmung des CFC im Zusammenhang mit Trauerbekundungen verwendet worden.

Newsblog: +++ Beerdigung von Neonazi Thomas Haller: Trauerkranz mit Reichsadler +++ Chemnitzer FC erstattet erneut Anzeige / Hunderte Hooligans versammeln sich für einen »Trauerzug« / Polizei: Gefährdungslage sei »schwer einzuschätzen«

Der Klub hatte bereits am vergangenen Montag Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht. Grund sind Vorkommnisse rund um das Spiel gegen VSG Altglienicke (4:4) am 9. März, als unter anderem mittels einer Pyro-Show und mit Banner Hallers gedacht worden war. Den Trauerbekenntnissen sollen möglicherweise strafbare Handlungen vorausgegangen sein. Die Choreografie der Fans wich vom üblichen Prozedere ab.

Der Chemnitzer LINKE-Politiker und Sprecher des Bündnisses »Chemnitz nazifrei«, Tim Detzner, forderte derweil eine klarere Haltung von Polizei und Staat gegenüber rechten Kräften in Chemnitz. Detzner hatte bereits vor der Beisetzung im Radioprogramm »SWR Aktuell« gesagt, bei vielen Verantwortlichen komme »immer wieder das Gefühl hoch, Chemnitz würde in eine negative Ecke gestellt«. »Genau dort liegt das Problem, denn Chemnitz hat nun mal gefestigte Nazi-Strukturen seit Jahren«, sagte der LINKE-Politiker. Die Stadt sei seit Jahrzehnten »das ruhige Hinterland für militante Neonazis, was auch die bundes- und europaweite Bekanntheit und Verankerung von Thomas H. zeigt«.

Auch Fans von anderen Fußballvereinen bekundeten zuletzt ihre Sympathien mit dem verstorbenen Haller. Fußball-Drittligist Eintracht Braunschweig hatte sich von einem entsprechenden Banner distanziert. Beim Spiel am Sonntag gegen den SV Meppen (3:0) wurde in der zweiten Halbzeit ein Spruchband mit dem Text »Ruhe in Frieden, Tommy. BS Hools«, gezeigt.

»Eintracht Braunschweig ist ein toleranter Verein, der mit seinen Mannschaften, Mitgliedern, Mitarbeitern und seiner Fanszene für Vielfalt und Respekt steht und demokratische Grundwerte vertritt! Das ist so auch in unserem Leitbild verankert. Da der verstorbene Chemnitzer Tommy Haller, dem das Banner offensichtlich gewidmet war, nach unserem Kenntnisstand nicht für diese Grundwerte stand, distanzieren wir uns hiermit ausdrücklich von diesem Gedankengut, dem Spruchband und allen, die damit sympathisieren, genauso wie der überwältigende Teil unserer Fans«, teilte der Klub am Sonntagabend mit. Auch Fans des Fußball-Drittligisten FC Energie Cottbus hatten ihr »Beileid« bekundet.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.