Der ahnungslose Reformer

Ohne Plan vom Internet wirbt Axel Voss für die EU-Urheberrechtsreform

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 4 Min.

Axel Voss ist ein eher unbekannter CDU-Politiker. Doch in letzter Zeit macht er mit fragwürdigen bis falschen Aussagen über die geplante Urheberrechtsreform der Europäischen Union auf sich aufmerksam. Zuletzt sagte er in einem Interview mit dem Onlinemagazin »Vice«, man könnte bei der Suchmaschine Google gezielt nach Memes suchen. Wer sich jetzt fragt, wo sich diese Funktion versteckt und warum man sie noch nicht kennt, dem/der sei gesagt: Keine Sorge! Die vermeintliche »Google-Memes-Suchfunktion« gibt es gar nicht. Doch es ist nicht das erste Mal, dass Voss unwahre Behauptungen über das Internet oder die geplante EU-Reform aufstellt.

Auf dem Nachrichtendienst Twitter veröffentlichte sogar der Account der CDU und CSU im EU-Parlament einen Screenshot, der belegen soll, dass es die von Voss genannte Suchfunktion gibt. Dieser Tweet wurde binnen kürzester Zeit Tausende Male geteilt und mit hämischen Kommentaren der Nutzer*innen versehen. Zunächst trendete der Hashtag #Memes, später #axelsurft.

Seit 2009 sitzt Voss im EU-Parlament, wo er der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, die sich aus christlich-demokratischen, konservativ-bürgerlichen bis hin zu nationalkonservativ-rechtspopulistischen Mitgliedsparteien in der Europäischen Union zusammensetzt. Sein Engagement für die Urheberrechtsreform ergibt sich weniger aus persönlicher Expertise als aus seiner Mitgliedschaft im Rechtsausschuss. Dort übernahm er die Aufgabe des Berichterstatters für den Kommissionsvorschlag zur Urheberrechtsreform, in deren Rahmen auch der Artikel 13 verabschiedet werden soll. Der Berichterstatter hat das Mandat, die Stellungnahme des gesamten Ausschusses vorzubereiten, die ihrerseits als Entscheidungsgrundlage für das Plenum des Parlaments dient.

Die Urheberrechtsreform wurde bereits 2017 von der EU-Kommission und dem damaligen EU-Digitalkommissar Günther Oettinger angestoßen. Mittlerweile hat die neue EU-Digitalkommissarin Marija Gabriel das Projekt übernommen. Öffentlich hält sich Gabriel mit Äußerungen zu dem Gesetzesvorhaben auffallend bedeckt, Voss scheut derweil nicht davor, Interviews zu geben. Fragen, auf die er keine Antwort weiß, beantwortet er einfach falsch.

Auf seiner Homepage behauptet Voss in einem Video, dass nur »ein bis fünf Prozent des gesamten Internets« von den neuen Regelungen durch die Verabschiedung des Artikel 13 betroffen wären. Wie er auf diese Zahlen kommt, erklärt er nicht. Sie sind infrage zu stellen, da der Artikel 13 vorsieht, dass die Plattformen garantieren sollen, das Urheberrecht zu wahren. Auf YouTube verwenden die Nutzer*innen oftmals Videomaterial, dessen Urheber*in sie nicht sind. Auf der Videoplattform werden im Schnitt 400 Stunden pro Minute hochgeladen. Ralf Bremer von Google Deutschland erklärte gegenüber dem ZDF: Angesichts der Fülle des Materials könne man nicht feststellen, wann ein Urheberrecht verletzt werde. Deshalb müssten Videos vorsorglich blockiert werden und dies könnte »Millionen von Kanälen in Europa betreffen«.

Natürlich kann niemand sagen, wie viel Prozent des Internets von der Reform betroffen wären. Eine solche Rechnung ist extrem schwierig. Voss hat die Zahl »ein bis fünf Prozent« einfach in den Raum geworfen, um kritischen Stimmen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Erst kürzlich unterstellte Voss in einem Interview mit der Deutschen Welle YouTube ein Geschäftsmodell, dass sich auf urheberrechtlich geschützte Inhalte anderer gründe. Auch diese Aussage offenbart großes Unwissen.

Tatsächlich wurde YouTube im Jahr 2005 von Jawed Karim gegründet. Doch das Wachstum der Videoplattform stockte zunächst. Als in Südostasien katastrophale Tsunamis wüteten und Menschen von vor Ort ihre Videos hochluden, gewann YouTube schlagartig an Relevanz. Ein Jahr später kaufte Google den Konzern. In den Anfangsjahren diente die Videoplattform vielen Nutzer*innen vor allem zum Austausch über Videospiele. Erst später begannen Menschen verstärkt damit, bereits existierendes Videomaterial in eigenen Filmen zu verwenden und zu kommentieren.

Nach viel Kritik an seinen Äußerungen gegenüber der Deutschen Welle ruderte Voss zurück. Auf Twitter schrieb er, dass er die Existenz YouTubes nicht in Zweifel habe ziehen wollen. Es lassen sich noch viele andere, fragwürdige Aussagen von Voss finden. In den letzten Monaten hatte er mehrere Male bewiesen, dass das Internet nicht sein Spezialgebiet ist. Umso fragwürdiger, dass er eine tragende Rolle bei der geplanten EU-Reform übernimmt.

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