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Recht auf Wohnen Makulatur

Im Bauausschuss des Bundestages erörterten Fachleute Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit

Das Recht auf Wohnen werde »längst nicht mehr allen Menschen gewährt«, stellte Birgit Fix vom Deutschen Caritasverband nüchtern fest. Die Vertreterin des katholischen Wohlfahrtsverbandes äußerte sich wie andere Expertinnen und Experten am Montag im Bauausschuss des Bundestages zu von Linkspartei und Grünen vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit.

Die Fachleute begrüßten die Anträge der Oppositionsparteien einhellig. Bemerkenswert: Die SPD-Abgeordnete Ulrike Nissen bedankte sich bei der politischen Konkurrenz ausdrücklich für deren Initiativen. Zwar habe die Große Koalition »schon einiges getan, um die Situation zu verbessern, aber das reicht noch lange nicht aus«, räumte sie ein.

Tatsächlich zeigt gerade das von CSU-Mann Horst Seehofer geleitete Großministerium des Innern, für Bau und Heimat wenig Interesse am Thema sozialer Wohnungsbau. Und die heutige SPD-Vorsitzende Andrea Nahles führte als Bundessozialministerin 2017 die Regelung ein, dass EU-Bürger in den ersten fünf Jahren ihres Aufenthalts in Deutschland von Sozialleistungen ausgeschlossen sind. Gerade dies hat zu einer gravierenden Zunahme der Obdachlosigkeit unter Menschen aus Osteuropa geführt.

Nach einer Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) waren 2018 erstmals mehr als eine Million Menschen in Deutschland ohne eigene Wohnung. Mehrheitlich leben sie in »ordnungsrechtlichen Unterkünften, und das oft über Jahre«, wie Robert Veltmann, Geschäftsführer des Berliner Sozialdienstes GEBEWO, berichtete. Mehr als 50 000 Menschen bundesweit haben laut BAG-Schätzung gar kein Dach über dem Kopf, schlafen also in Parks, unter Brücken, in Unterführungen oder leerstehenden Gebäuden.

Damit, so Veltmann, werde ihr »Grundbedürfnis nach Schutz, Sicherheit, Privatsphäre und Ruhe« verletzt. »Obdachlosigkeit ist eine extreme Form von Armut und macht Menschen sehr krank«, betonte er. Veltmann beklagte eine Verletzung von Artikel 13 des Grundgesetzes.

Dieser postuliert zwar die »Unverletzlichkeit der Wohnung«. Dies bezieht sich aber eher auf das Eindringen von Behördenvertretern und auf Lauschangriffe. Von den Vereinten Nationen wurden soziale Grundrechte, darunter das Recht auf Wohnen, erst 1966 im UN-Sozialpakt als unveräußerliche Menschenrechte definiert.

Die LINKE fordert in ihrem Antrag ans Parlament ein vom Bund mitfinanziertes Wohnungsbauprogramm im Umfang von zehn Milliarden Euro »für einen Neustart im sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau«. LINKE wie Grüne verlangen eine Anpassung des Wohngelds an die Mietpreis- und Einkommensentwicklung, eine Streichung der Sanktionen für Hartz-IV- und Sozialhilfebezieher, die Wiederherstellung des Zugangs von EU-Bürgern zu Sozialleistungen und die Schaffung eines flächendeckenden Netzes von Fachberatungsstellen. Sie sollen frühzeitig tätig werden, wenn Menschen in schwierigen Lebenslagen der Verlust der Wohnung droht.

Die LINKE fordert zudem einen besseren Schutz von Migranten und Menschen mit geringem Einkommen vor Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Außerdem plädiert sie dafür, dass die Bundesregierung Förderprogramme für Kommunen auflegt, die den sogenannten Housing-First-Ansatz zur sofortigen Versorgung von Wohnungslosen mit Wohnungen verfolgen.

Eine besondere Absurdität im deutschen Recht wollen Linkspartei und Grüne beseitigen. Vermieter sprechen gegen Menschen, die mit den Mietschulden im Rückstand sind, oft sowohl eine fristlose als auch eine fristgerechte Kündigung aus. Denn während erstere durch Begleichung der Schulden innerhalb von zwei Monaten »geheilt« werden kann, bleibt letztere trotzdem in Kraft. Deshalb lehnen die Jobcenter es vielfach ab, für Mietschulden einzuspringen. Die Folge ist häufig die Zwangsräumung der Betroffenen. Seite 11

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