- Berlin
- Enteignung von Deutsche Wohnen
Senat mit Rechenfehler
Aktivisten: Kostenschätzung zu Enteignungen zu hoch
Auf 36 Milliarden Euro schätzt der Senat den Verkehrswert der 243 000 Wohnungen, die nach seinen Erkenntnissen vom Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co enteignen« betroffen wären. Das ist auch die Oberwert der offiziellen Kostenschätzung. »Bis hierhin ist an dem Papier nichts auszusetzen«, sagt Sebastian Schneider vom Bündnis. »Doch dann verlassen den Senat Mut und Willen«, erklärt er.
Denn als Untergrenze der zu erwartenden Entschädigungen bei einer Vergesellschaftung des Bestands privater Großvermieter setzt der Senat 28,8 Milliarden Euro an. Die Summe kommt durch einen 20-prozentigen Abschlag auf den geschätzten Verkehrswert zustande. Ein kleinerer Teil dieser Summe wird durch einen Rabatt beim Paketverkauf der Bestände begründet. Der Löwenanteil geht jedoch auf die Annahme, dass die Wohnungen im Schnitt vor fünf Jahren zu deutlich niedrigeren Preisen erworben wurden.
»Die Kaufpreise haben sich in den letzten fünf Jahren jedoch nicht um rund 20 Prozent, sondern um über 100 Prozent erhöht«, sagt Schneider. Der Immobilienmarktbericht 2017/18 des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin belegt das. Für reine Mietwohnhäuser stieg der Preis von 2080 auf 4432 Euro pro Quadratmeter. Wenn in den Häusern auch noch Gewerberäume sind, wurden 2017 für den Quadratmeter 5057 Euro verlangt - 2012 waren es noch 2445 Euro. »Wenn man also der Methode des Senats konsequent folgen will, wäre die Halbierung des Verkehrswerts auf dann 18 Milliarden Euro sachgerechter«, so Schneider.
Die Summe von 18 Milliarden Euro könnte die zu gründende Anstalt öffentlichen Rechts, die die Wohnungen übernimmt, innerhalb von 30 Jahren aus den laufenden Mieteinnahmen tilgen, wenn man den vom Senat in der Kostenschätzung angenommenen hohen Zinssatz von 1,94 Prozent zugrunde legt, rechnet Schneider vor. »Und zwar mit über die gesamte Dauer eingefrorenen Mieten und ohne Bezuschussung, also ohne Belastung des Landeshaushalts«, erklärt der Aktivist. Dabei seien Instandhaltungskosten und das sogenannte Mietausfallwagnis eingerechnet.
Der Senat geht auf Basis seiner Entschädigungswerte von jährlichen Haushaltsbelastungen von 100 bis 340 Millionen Euro aus. Dies liege, so heißt es aus Senatskreisen, an einer ansteigenden Tilgungsrate. Im Papier selbst, das »nd« vorliegt, sind diese Annahmen jedoch nicht zu erkennen. »Bei einer jährlichen Tilgung von 1,5 Prozent und dem hohen Zinssatz von 1,94 Prozent könnte die Anstalt öffentlichen Rechts sogar eine Entschädigungssumme von 30 Milliarden Euro stemmen, ohne die Mieten zu erhöhen oder den Landeshaushalt mit einem einzigen Euro zu belasten«, sagt Schneider.
Die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« rechnet selbst mit deutlich niedrigeren Entschädigungen von - hochgerechnet auf 243 000 Wohnungen - rund 8,9 bis 16,6 Milliarden Euro.
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