Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung

Kritiker der Urheberrechtsreform fordern von der Bundesregierung, das Vorhaben zu stoppen

»Viele, die in den letzten Wochen auf die Straße gegangen sind, werden jetzt frustriert sein - nicht nur vom Ergebnis, sondern auch von der Art, wie ihr Anliegen von Teilen der Politik behandelt wurde«, ist sich Petra Sitte, stellvertretende Linksfraktionsvorsitzende und Mitglied im Bundestagsausschuss Digitale Agenda, am Tag nach der Entscheidung des EU-Parlaments für die umstrittene Urheberrechtsreform sicher. Dennoch hoffe sie, dass sich die Kritiker und Protestierer nicht entmutigen lassen »und ihr Engagement weitertragen«.

Das taten am Dienstagabend bereits Hunderte Menschen etwa in Hamburg und in Berlin, wo sie mit einem Demonstrationszug vom Alexanderplatz Richtung Brandenburger Tor gegen die Entscheidung der EU-Parlamentarier protestierten. Ihren Blick aber auch schon Richtung weitere Schritte des Gesetzgebungsverfahrens wandten. »Unsere Forderung ist: Der Europarat soll das ablehnen«, erklärte etwa Demo-Initiator Bruno Kramm, ehemaliger Vorsitzender der Berliner Piratenpartei. Auch die Bundesregierung könne noch ein eindeutiges Veto gegen den Beschluss des Europaparlaments einlegen, sagte er. Die Kampagne »Save the Internet« hatte für Dienstag und Mittwoch auch in weiteren Städten zu Demonstrationen aufgerufen.

Nach der Abstimmung im Europaparlament müssen nun die EU-Mitgliedsstaaten der Richtlinie erneut zustimmen - nachdem sie den Kompromissvorschlag nach langen Verhandlungen bereits im Februar abgesegnet hatten. Auch die Bundesregierung stimmte damals für den Entwurf, den das Parlament am Dienstag ohne Veränderungen angenommen hat. Das Problem: In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU und SPD eigentlich klar gegen die Einführung von Uploadfiltern ausgesprochen, die mit dem vorliegenden Gesetz nun aber wohl doch kommen werden. Schon in der Diskussion im Vorfeld der Abstimmung am Dienstag mussten sich die beiden Parteien zum Teil harsche Kritik anhören, dass die Große Koalition dennoch den Weg für die Urheberrechtsreform freigemacht hatte.

Wegen dieser zwiespältigen Haltung - theoretische Ablehnung, praktische Zustimmung - setzen die Kritiker der Reform nun darauf, bis zum neuerlichen Mitgliedsstaaten-Votum, das im April stattfinden könnte, Druck auf die Koalitionäre für ein »Nein« aufzubauen. So rief der SPD-Europapolitiker und scharfe Kritiker der Reform Tiemo Wölken die Bundesregierung via »Rheinische Post« dazu auf, dem Vorhaben nicht erneut zuzustimmen. »Katarina Barley (SPD) als Justizministerin und die Bundeskanzlerin sollten ihre Zustimmung zu der Urheberrechtsreform nun überdenken«, so Wölken. »Dann müsste sich die Bundesregierung im Rat in Brüssel enthalten, die Reform könnte nicht beschlossen werden.« Er erwarte von Union und SPD, dass sie sich an den Koalitionsvertrag gebunden fühlten, so Wölken.

Barley hatte am Dienstag das Abstimmungsergebnis bedauert, wie sie zuvor auch schon immer wieder ihre eigentliche Ablehnung von Uploadfiltern betont hatte. Die Ministerin ließ aber nicht erkennen, dass sie ihre Zustimmung nun zurückziehen könnte. In der ARD verwies sie stattdessen auf die zweijährige Umsetzungsfrist und erklärte, die Richtlinie müsse nun so »userfreundlich« wie möglich umgesetzt werden, um eine größtmögliche Freiheit im Netz zu erhalten.

Auch der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz übte Kritik an der Ministerin. Es gehe nicht an, dass sie erst die Urheberrechtsreform in Brüssel mitverhandle und sich hinterher davon distanziere, sagte er der »Rheinischen Post«. »Wenn Barley sich direkt gegen die Reform und mögliche Uploadfilter gestellt hätte, wäre das alles so nicht gekommen.« Für Petra Sitte habe die Bundesregierung nun »eine letzte Gelegenheit, den Bruch des Koalitionsvertrags zu korrigieren«. Wenn sie diese, wie zu erwarten sei, nicht wahrnehme, müsse »sie sich endlich zu konkreten Vorstellungen zur nationalen Umsetzung der Richtlinie bekennen.«

Uploadfilter, die die Debatte um die Urheberrechtsreform zum großen Teil beherrschten, stehen zwar gar nicht in der Richtlinie. Damit die großen Internetplattformen wie YouTube aber sicherstellen können, dass keine urheberrechtlich geschützten Inhalte, für die sie keine Lizenz erworben haben, hochgeladen werden, wird davon ausgegangen, dass Uploadfilter zum Einsatz kommen werden. Die Kritiker befürchten dadurch unter anderem eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Mit Agenturen

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