Fängt der frühe Vogel wirklich den Wurm?

Dr. Schmidt erklärt die Welt

  • Lotte Laloire
  • Lesedauer: 3 Min.

Zugvögel kommen laut einer neuen Studie der Universität Helsinki heute eine Woche früher zurück aus dem Süden als noch in den 1950er Jahren. Sind die jetzt auch schon heimattreu?

Das dürfte eher am Klimawandel liegen.

Dr. Steffen Schmidt

Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort - und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.

Lotte Laloire sprach mit ihm über die Rückkehr der Zugvögel.

Foto: nd/Ulli Winkler

Was sind denn das für Vögel, die so früh wieder hier aufkreuzen?

Zum Beispiel die Weißstörche, das sind auch Gewinner der ganzen Entwicklung. Die fliegen nur noch bis Spanien, machen den Winter über Fettlebe auf den Müllhalden und kommen dann wohlgenährt zurück. Hier fangen sie den später Anreisenden die Beute weg, die sind dann angeschmiert. Der Klimawandel sorgt ja nicht nur für wärmere Temperaturen und einen früheren Frühling bei uns, er hat auch Einfluss darauf, dass Wüsten sich vergrößern, dass die Sahara heute breiter ist, als sie vor 200 Jahren war, wobei das in der Evolutionsgeschichte nur wie eine Sekunde ist.

Ein Vogelschiss quasi?

Buchstäblich. Aber dadurch haben einige Vogelarten eben das Problem, dass sie weiter fliegen müssen, bis sie in ihr Winterquartier kommen. Sie fressen sich dafür zwar vorher Fett an, aber irgendwo ist einfach Schluss. Sie kommen also nicht mehr bis dahin, wo sie traditionell überwintert haben. Wenn der Sprit alle ist, bleiben sie hängen und verhungern.

Andere, wie der Trauerschnäpper, machen alles wie immer. Der kriegt wohl keinen Wind vom früheren Frühlingsanfang?

Ja, Vögel wie er, die sehr lange Routen zurücklegen, also bis weit nach Afrika hinein, spüren dort das laue Lüftchen nicht, das im Frühjahr in Europa weht. Ihr Zugprogramm ist anscheinend biologisch festgelegt und deshalb kommen sie nicht früher zurück. Wenn sie dann hier ankommen, ist aber ihr Nest oft schon besetzt und das Futter aufgefressen. Die haben Pech.

Könnten die Menschen, die an allem schuld sind, den armen Vögelchen helfen, diesen Kalender umzuprogrammieren?

Das wäre hübsch, aber ich glaube, das klappt nicht. Wir wissen ja nicht einmal genau, wie dieser innere Kalender funktioniert. Offensichtlich gibt es Vögel, bei denen das ein genetisches Programm ist. Andere ziehen gar nicht mehr. Schon vor Jahren war zu beobachten, dass auch im Winter etliche Amseln noch in den Großstädten herumsaßen. Die sind einfach nicht weggeflogen, obwohl sie eigentlich auch mal Zugvögel waren. Denn in Großstädten ist es nun mal wärmer, durch die Steinmassen oder die warme Luft aus den Abzugsschächten der U-Bahnen.

Müsste das Sprichwort nicht ergänzt werden: »Der frühe und der faule Vogel fangen den Wurm«?

Bei den Vögeln vielleicht, bei Menschen, besonders bei Redakteuren, habe ich da meine Zweifel.

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