Es geht ums Geld
Ost-Regierungschefs fordern bei Treffen mit Kanzlerin Merkel finanzielle Unterstützung
Bodo Ramelow genießt es sichtlich, der Gastgeber zu sein. Zwar lässt der LINKE-Politiker seinen ostdeutschen Amtskollegen und der einen Kollegin artig den Vortritt, als der Politik-Tross das altehrwürdige Zinzendorfhaus in Neudietendorf besichtigt und an einer Reihe von Fernsehkameras vorbeikommt. Doch kaum ist beantwortet, was gefragt wurde, übernimmt Ramelow wieder die Regie. Er marschiert langsamen Schritts über den Vorplatz des Hauses und ruft den anderen zu: »Wenn ich die Kollegen einladen darf.« Auch in der Kirche, in die die Regierungschefs der ostdeutschen Länder und die Sozialdemokratin Manuela Schwesig als einzige Regierungschefin unter ihnen, spazieren, redet neben dem Pfarrer eigentlich nur einer, wenn auch kurz: Ramelow.
Für Thüringens Ministerpräsidenten ist diese sogenannte Ministerpräsidentenkonferenz-Ost wichtig; vor allem deshalb, weil er seit Monaten mit Nachdruck versucht, sich als Stimme des Ostens zu profilieren. Umso mehr, weil es im Thüringer Landtagswahlkampf eine große Rolle spielt, dass viele Ostdeutsche sich dreißig Jahre nach der Wende in der Bundesrepublik noch immer als Menschen zweiter Klasse fühlen. Verschiedene soziologische Studien haben das in den vergangenen Monaten immer wieder bestätigt. Ausgerechnet an dem Tag, an dem die Regierungschefs des Ostens in dem kleinen Ort unweit von Erfurt zusammenkommen, schafft es eine weitere dieser Studien in diverse Zeitungen: »Ostdeutsche wie Muslime benachteiligt«, ist dort zu lesen.
Für dieses Wir-sind-nur-zweite-Klasse-Gefühl im Osten ist es besonders verheerend, dass die zentralen Themen, die die Menschen in den neuen Ländern bedrücken, seit Jahren die gleichen sind; und die Ministerpräsidenten nicht müde werden, den Bund zu drängen, ihnen bei der Lösung dieser Fragen zu helfen. Weshalb es auch bei dieser MPK-Ost vor allem um Geld geht. So wird aus dem Kreis der Regierungschefs nicht nur erneut die Forderung nach einem teuren Ausbau von schnellen Internetverbindungen im Osten laut. Oder nach einer stärkeren Beteiligung des Bundes an den Kosten, die den Ländern durch die Zahlung der DDR-Sonderrenten entstehen.
Vor allem sind sich die Regierungschefs von Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin einig, dass die strukturschwachen Regionen in Deutschland auch in den nächsten Jahren starke finanzielle Unterstützung brauchen. Von diesen Regionen liegen viele im Osten, wo es vergleichsweise wenige große Städte, dafür aber viel Land dazwischen gibt. »Der ländliche Raum muss gefördert werden«, sagt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), als er auf dem Hof vor dem Zinzendorfhaus vor den Kameras steht. Anders als es einige Volkswissenschaftler kürzlich gefordert hatten, dürften Fördergelder nicht nur in die urbanen Zentren Deutschlands - und damit größtenteils in den Westen der Bundesrepublik - fließen.
Schwesig schlägt die Brücke zu den Löhnen im Osten. Die Einkommen der Ostdeutschen, sagt die Schweriner Regierungschefin, seien so niedrig, weil die Wirtschaftskraft des Ostens noch immer geringer sei als die des Westens. Das sei den Menschen drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall sehr viel schwerer zu vermitteln als zehn Jahre danach. »Wir müssen stärker in die Wirtschaftskraft investieren«, fordert Schwesig. Dazu bräuchten die Ost-Länder weiter Geld von der EU und vom Bund. Auf der MPK wird deshalb das Konzept eines »regionalen Sicherheitsnetzes« diskutiert, das zumindest einen Teil der Verluste von EU-Geldern ausgleichen soll, die den neuen Ländern ab 2021 nicht zuletzt wegen des Brexit drohen.
Ob diese und ähnliche Forderungen im ostdeutschen Superwahljahr 2019 mehr Chancen haben, erfüllt zu werden als in der Vergangenheit, muss sich zeigen. Schwesig und ihre männlichen Kollegen treten in diesen Tagen aber selbstbewusster auf als es ostdeutsche Ministerpräsidenten lange Jahre getan haben. Später, während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel, beantwortet Ramelow gar eine Frage, die eigentlich an sie gerichtet ist, während Merkel neben ihm steht und sich bemüht zu lächeln. Kurz zuvor durfte die Kanzlerin sagen, dass sie, die ihren Wahlkreis im Osten Deutschlands hat, die Probleme der Menschen in den neuen Ländern gut kenne.
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