Macron schwänzt beim Ruanda-Gedenken

Frankreich weist Vorwurf der Beihilfe bei Völkermord vor 25 Jahren zurück

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn am Sonntag in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, des Beginns des Massenmords an den Tutsi vor 25 Jahren gedacht wird, fehlt unter den ausländischen Staatsgästen der französische Präsident Emmanuel Macron. Wie jedes Jahr war er eingeladen, doch wie seine Vorgänger Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und François Hollande hat er es aufgrund der angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern vorgezogen, abzusagen. Er schickt als Vertreter nicht einmal einen Minister, sondern nur einen Parlamentsabgeordneten seiner Bewegung En marche - allerdings einen speziellen. Hervé Berville wurde als vierjähriges Tutsi-Waisenkind von einer französischen Familie adoptiert, ist in der Bretagne aufgewachsen und hat nach dem Studium an der London School of Economics in der Entwicklungshilfe in Afrika gearbeitet.

Der Völkermord in Ruanda, der vom 6. April bis Mitte Juli 1994 wütete, hat nach Angaben der UNO zwischen 800 000 und eine Million Menschenleben gekostet. Die Opfer gehörten überwiegend der Bevölkerungsminderheit der Tutsi an, die um 75 Prozent dezimiert wurde, aber es mussten auch moderate Hutu sterben, weil sie sich am Morden nicht beteiligen wollten oder sich sogar für ihre Tutsi-Mitbürger eingesetzt haben. Das Massaker wurde von der Hutu-Regierung organisiert und durch die Armee, die Polizei und Milizen, aber auch von aufgehetzten Menschenmassen verübt. Wegen des seit Jahren anhaltenden Konflikts zwischen der von Hutus dominierten Regierung und den von Nachbarländern aus operierenden Tutsi-Rebellen der Ruandischen Patriotischen Front (FPR) standen damals Friedenstruppen der UNO im Land, die aber bei Ausbruch des Massenmords tatenlos blieben.

Passiv verhielten sich auch die USA, Großbritannien und die einstige Kolonialmacht Belgien, die beträchtlichen Einfluss in der Region haben. Die schließlich Mitte Juni 1994 von Frankreich mit einem UNO-Mandat begonnene Militärintervention mit dem Codenamen Turquoise verfolgte offiziell das Ziel, westliche Bürger in Ruanda zu schützen und auszufliegen, doch tatsächlich hat sie der Hutu-Regierung den Rücken gestärkt und sie sogar noch mit Waffen versorgt. Gegen das Morden schritt das französische Militär nicht ein, sondern es patrouillierte sogar vielerorts gemeinsam mit Hutu-Milizen. Das entsprach der seit Jahren von Präsident François Mitterrand verfolgten Politik, in Afrika den wachsenden anglo-amerikanischen Einfluss zurückzudrängen. Hinter der FPR vermutete Mitterrand die Hand der USA. Deshalb hat Frankreich die Hutu-Regierung stets bedingungslos unterstützt und sogar 1993 eine Gruppe von 70 französischen Offizieren abgesandt, die über Wochen de facto das Kommando über die ruandische Armee übernommen und eine vom benachbarten Uganda aus gestartete FPR-Offensive zurückgeschlagen haben. Dagegen wurden in Paris alle Warnungen französischer Diplomaten und Militärs vor Ort, dass in Ruanda gegen die Tutsi im Inland ein Massaker in Vorbereitung sei, da diese als »Fünfte Kolonne« der FPR gelten, in den Wind geschlagen. Als am 6. April 1994 das Flugzeug des Hutu-Präsidenten Juvenal Habyarimana beim Landeanflug in Kigali abgeschossen wurde, bezichtigte die Regierung umgehend die FPR der Täterschaft und gab damit das Startzeichen zum Massaker an den Tutsi.

Die französischen Regierungspolitiker wollen ihre verfehlte Politik in Ruanda und ihre menschenverachtende Haltung bis heute nicht einräumen, geschweige sich dafür entschuldigen. Daher sind bisher alle Versuche, die bilateralen Beziehungen neu aufzubauen, gescheitert. Ruanda wirft den französischen Behörden auch vor, nicht konsequent nach hierher geflüchteten Massenmördern zu fahnden und diese auszuliefern oder selbst vor Gericht zu stellen. Die wenigen Prozesse, bei denen bisher nur drei Täter zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, gingen einzig auf die Initiative von Exil-Tutsi und von französischen Menschenrechtsorganisationen zurück.

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