• Berlin
  • Deutsche Wohnen & Co enteignen

Gemeinsam gegen Verdrängung

Mietenwahnsinn-Bündnis und »Deutsche Wohnen & Co enteignen« gehen auf die Straße

  • Anna Schulze und Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
Meine Wohnung ist kein austauschbarer Schuhkarton

»Potse, Drugstore, Liebig bleibt! One Struggle, one Fight,« hallt es am Mittwochnachmittag durch die Stralauer Straße in Berlin-Mitte. Die Sicht auf das Gebäude der Senatsverwaltung für Finanzen, an der Ecke Klosterstraße, wird von roten und schwarzen Bannern versperrt. »Zwangsräumung ist die gewaltsamste Form der Verdrängung«, sagt eine Rednerin ins Megafon. Für eine Kundgebung sind das Potse-Kollektiv, gegen das erst kürzlich eine Räumungsklage erwirkt wurde und Unterstützende zusammengekommen. Sie fordern die Freigabe der Potsdamer Straße 140 durch Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Es wäre eine passende Übergangslösung für das Jugendzentrum, das seit Ende 2018 ohne Mietvertrag und Alternativen dasteht.

Derzeit ist eine ganze Reihe von linken Projekten akut von Verdrängung bedroht. Als Jugendblock wolle man darum die Mietenwahnsinn-Demo diesen Samstag mit anführen. »Hoch die interkiezionale Solidarität«, stimmt ein Sprechchor an.

Aus allen Kiezen Berlins sollen die Menschen am Samstag um 12 Uhr am Startpunkt Alexanderplatz zusammenkommen. Denn von steigenden Mieten ist längst nicht mehr nur ein kleiner Teil der Bevölkerung betroffen. Wohnungsnot ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Bestandsmieten haben sich in den letzten elf Jahren in Berlin fast verdoppelt, von 5,47 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2007 auf 10,04 Euro pro Quadratmeter, wie die »Immobilien Zeitung« jüngst mitteilte. Den größten Sprung machten die Mieten demnach in Neukölln, wo sie um 146 Prozent gestiegen sind. Davon sind nicht nur die Mieter*innen (85 Prozent aller Berliner*innen) betroffen, sondern auch Gewerbetreibende und soziale Einrichtungen. Selbst Kinderläden seien inzwischen von Verdrängung bedroht und müssten immer öfter schließen, beklagte deren Dachverband daks am Donnerstag.

Die Chancen, diese Situation am Samstag in Berlin sichtbar zu machen stehen gut: Mehr als 270 Organisationen, Bündnisse und Initiativen unterstützen den Aufruf für einen »radikalen Kurswechsel in der Wohnungspolitik und die Enteignung von profitorientierten Wohnungsunternehmen«. Sie wollen ihre Wut auf die Straße bringen und zeigen, »dass Wohnen keine Ware ist - sondern ein Menschenrecht!« Die Unterzeichnenden sind äußerst vielfältig und reichen von Gewerkschaften, über verschiedene Miet-Initiativen und Hausprojekte, Besetzungsgruppen, bis hin zu Geflüchteten- und Obdachlosenorganisationen. Erwartet werden laut Bündnis wie 2018 rund 25 000 Menschen. Offiziell sind bei der Polizei 6000 Teilnehmende angemeldet. Die Demoroute hat Symbolwert und führt über die Karl-Marx-Allee in Friedrichshain, die besonders von Umwandlung betroffen ist, bis zum erst kürzlich verhinderten Google-Campus in Kreuzberg. Parteifahnen wolle man im Demozug nicht sehen, heißt es im Aufruf des Bündnisses, das sich als außerparlamentarischer Zusammenschluss vieler Initiativen versteht.

Eine dieser Initiativen ist die Gruppe der Besetzer*innen der Kreuzberger Großbeerenstraße 17a. Für ein paar Monate hatte es so ausgesehen, als hätte man dem Mietenwahnsinn hier tatsächlich etwas entgegengesetzt. Von den insgesamt 16 leerstehenden Häusern, die im vergangenen Jahr in Berlin besetzt worden waren - so viele wie seit den 90er Jahren nicht mehr - wurden bis auf die Großbeerenstraße mittlerweile alle geräumt. Nun droht auch dieser Besetzung gegen den Ausverkauf der Stadt das Ende: Kürzlich kam ein Schreiben, zum 10. April sollen alle raus. Einfach aufgeben wollen die Besetzer*innen aber nicht. Canan Bayram, Bundestagsabgeordnete der Grünen, die vermittelnd tätig ist, sei bereits kontaktiert worden. Auf der Demo am Samstag wolle man die Forderung nach »Wohnungen zu Mietspiegelpreisen und nicht zu Fantasiepreisen« noch einmal deutlich machen, so Besetzer Max Bolder.

Neben der Demo will eine Initiative ein Volksbegehren starten, um Unternehmen mit jeweils mehr als 3000 Wohnungen zu »vergesellschaften«. Sie zielt unter anderem auf den Konzern Deutsche Wohnen ab, der in Berlin rund 111 000 Wohnungen besitzt. Für die erste Stufe des Volksbegehrens werden mindestens 20 000 Unterschriften benötigt.

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