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Sturm auf den Amazonas
Bolsonaros Attacke auf indigene Gebiete öffnet Türen zum größten Regenwald der Welt
Apyterewa. In den Händen federngeschmückte Pfeile und Bögen, den Blick fest nach vorn gerichtet - die beiden Krieger des Volks Parakanã im Amazonasbecken flößen Ehrfurcht ein. Das wollen sie auch, schließlich treffen sie in ihrem indigenen Schutzgebiet Apyterewa im Bundesstaat Pará, im Norden Brasiliens, auf immer mehr unerwünschte bis gefährliche Eindringlinge: Goldgräber, Holzfäller, Großbauern, die von Land und Bodenschätzen angelockt werden. Die Krieger sitzen vorn in einem Boot mit Mitgliedern ihres Volkes, es braust auf dem Fluss Xingú entlang. Das Ziel: ein Posten der Behörde Funai, die für den Schutz der Indigenen zuständig ist. Dort wollen sie neue Fälle von Invasion in ihrem Gebiet anzeigen.
Das Phänomen der Landnahme im rohstoffreichen und riesigen Amazonasbecken ist nicht neu in der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas mit ihren gut 215 Millionen Einwohnern. Auch frühere Regierungen, allen voran die Militärdiktatur (1964 bis 1985), scheuten nicht vor Projekten zurück, die Tausende Menschen - Indigene und andere Volksgruppen - aus ihren angestammten Lebensräumen verdrängten. Doch mit der Wahl von Jair Bolsonaro zum brasilianischen Präsidenten im Oktober 2018 haben die Pläne zur wirtschaftlichen Erschließung der Grünen Lunge schlagartig neue Dimensionen angenommen.
Schon als Abgeordneter fand Bolsonaro die indigenen Schutzgebiete viel zu groß. Im Wahlkampf sagte der rechte Ex-Militär, er wolle »keinen weiteren Zentimeter« ausweisen und alle bestehenden Gebiete - sie machen seinen Worten zufolge etwa 15 Prozent der Staatsfläche aus - überprüfen. Viele verstanden dies als Türöffner und fühlten sich zum Sturm auf die Bodenschätze ermutigt. Die Abholzung am Amazonas zog schon während der Wahlkampfmonate kräftig an.
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Bolsonaros Attacke ließ international auch deshalb aufhorchen, weil das mehrere südamerikanische Staaten umfassende Amazonasbecken als CO2-Speicher von globaler Bedeutung ist. Auf Brasilien entfällt der größte Anteil dieses Regenwaldgebietes - eine Landfläche größer als Westeuropa, heißt es laut der Umweltschutzorganisation WWF.
»Das Neue an der Situation jetzt ist, dass die Stellen, die zum Schutz und zur Kontrolle da sind, an Einfluss eingebüßt haben«, sagt Luís de Camões Lima Boaventura, Staatsanwalt für die Region um die Stadt Santarém im Staat Pará. Bezeichnenderweise bestand Bolsonaros allererste Amtshandlung nach seinem Antritt am 1. Januar darin, der Funai die Zuständigkeit für die Ausweisung neuer indigener Schutzgebiete zu entziehen und sie dem Landwirtschaftsministerium zuzuschlagen. Die mächtige Agrarlobby dürfte frohlockt haben. Allen voran die Sojabauern brauchen immer mehr Boden in dem Riesenland, das fast 50 Prozent der Fläche Südamerikas umfasst.
Menschenrechtler schreckte auch die Ankündigung der Regierung auf, nichtstaatliche Organisationen sowie die Projekte des von Norwegen und auch Deutschland finanzierten Amazonas-Fonds unter die Lupe zu nehmen. Mit ihm sollen Projekte gegen die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes finanziert werden.
Neben den Indigenen müssen nun auch die Nachfahren von Sklaven sowie Flussbewohner mehr denn je um ihre Lebensräume im Amazonasgebiet bangen. Im Kampf um Land wird dabei auch kräftig getrickst: »Selbst wenn Großbauern Urkunden über vermeintlich legal erworbenen Landbesitz vorweisen, basieren diese oftmals auf gefälschten Dokumenten«, weiß Jucelino Oliveira Farias von der Comissão Pastoral da Terra, einer Organisation der katholischen Kirche Brasiliens, die sich in sozialen Fragen engagiert.
»Von der Landaneignung profitieren vor allem Unternehmer und Großbauern und nur ein ganz geringer Teil der Bevölkerung«, meint Staatsanwalt de Camões Lima Boaventura. Die Folgen sind für die meisten Gewalt, Kriminalität, zerstörte Familien und große Umweltschäden. Europa könne da sehr wohl Einfluss nehmen, etwa als großer Importeur von Holz. »Eine Lösung wäre, dass die Unternehmen stärker darauf achten, ob die Produkte legal hergestellt wurden«.
Das Boot der Parakanã erreicht nach mehreren Stunden Bootsfahrt den Posten der Funai. Doch zu einer Anzeige kommt es dort nicht. »Der Funai-Chef weiß über die Lage Bescheid«, meint Kawore Parakanã, ein Sprecher der Indigenen. »Aber er unternimmt nichts, wegen der neuen Regierung. Das war früher anders«. Auf der Rückfahrt zu ihrem Dorf steigt ein anderer Indigener auf eines der Flöße der Goldwäscher, die mit ihrem Quecksilber den Fluss vergiften. Er fordert sie auf, das Gebiet zu verlassen. Und wenn sie bleiben? »Dann sage ich ihnen morgen wieder, dass sie verschwinden sollen«. dpa/nd
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