- Politik
- LINKE in Sachsen
Die Balance bleibt doch gewahrt
Sachsens LINKE wählt Kandidatenliste für die Landtagswahl / Ringen um Regionalproporz
Es passiert nicht eben oft, dass bei der Aufstellung von Bewerbern für einen Landtag ein Kandidat seinen Hut erst in den Ring wirft und ihn dann wieder herausklaubt. Tim Detzner, der Stadtchef in Chemnitz, rang sich bei der Listenaufstellung der LINKEN für die Wahl im September dazu durch. Es gebe eine Absprache der Kreisvorsitzenden, wonach bis Platz 24 der Liste jeder Kreisverband mindestens einmal vertreten sein sollte, sagte er. Als Detzner sich bewarb, war die Versammlung indes bereits bei Platz 20 angelangt, und mit Meißen und Zwickau waren zwei der 13 Regionen leer ausgegangen. Der Chemnitzer warb für beide, zog zurück - und die gut 240 Vertreter beherzigten seinen Appell: Alexander Weiß aus Zwickau und Tilo Hellmann aus Meißen landeten auf den Plätzen 20 und 24.
Damit nahm die Kandidatenkür ein versöhnliches Ende, die ganz nach Plan begonnen, zwischenzeitlich aber für Groll gesorgt hatte. Die Versammlung wählte zunächst Rico Gebhardt, den 55-jährigen Fraktionschef, zum Spitzenkandidaten für die Wahl am 1. September und folgte so dem Votum eines Mitgliederentscheids. Dort hatte Gebhardt 88,7 Prozent erhalten; am Samstag wurde er mit 77,6 Prozent auf Listenplatz 1 gesetzt.
Sachsens Grüne haben Katja Meier aus Zwickau und Wolfram Günther aus Leipzig auf die beiden ersten Plätze ihrer Landesliste gewählt. Die Verkehrspolitikerin Meier wurde mit 97 Prozent auf Platz 1 gesetzt, Fraktionschef Günther mit 90 Prozent auf Platz 2. Bundeschef Robert Habeck sprach von »Katja aus dem Plattenbau und Wolfram von den Montagsdemos«. Unter den ersten zehn Bewerbern sind weitere fünf der aktuell acht Abgeordneten, von denen eine nicht wieder antrat.
Die Grünen streben nach der Wahl am 1. September eine Regierungsbeteiligung an. Koalitionsaussagen vermied das Spitzenduo bei der Wahlversammlung in Chemnitz aber. Die Partei scheint dem Eintritt in ein Bündnis mit der CDU nicht abgeneigt, dem man 2014 noch eine Absage erteilte. Parteichefin Christin Melcher, die mit 84 Prozent auf Platz 9 kam, hatte unlängst indes auch Rot-Rot-Grün nicht ausgeschlossen. In aktuellen Umfragen liegen die Grünen bei etwa 9 Prozent. hla
Auch danach hielten sich die Vertreter zunächst weitgehend an den in Gremien ausgehandelten und sorgsam austarierten Listenvorschlag, bei dem man sich nach den Worten der Landesvorsitzenden Antje Feiks »viele Restriktionen auferlegt« habe. Unter den 20 Vorgeschlagenen sollten sich sechs Parlamentsneulinge, zwei Jugendvertreter sowie eben Vertreter aller Kreisverbände finden, von denen einige ihre Wunschkandidaten vorab benannt hatten. Zugleich jedoch strebten von jetzt 27 Abgeordneten 20 wieder ein Mandat an.
Die Balance blieb lange gewahrt. Die Basis wählte die Chemnitzer Sozialpolitikerin Susanne Schaper auf den zweiten und Feiks auf den dritten Platz. Deren mit 60,6 Prozent eher mageres Ergebnis dürfte mit der Enttäuschung jener zu erklären sein, die mit dem von der Landeschefin verantworteten Personalvorschlag nicht glücklich waren. Zwei weitere Mitglieder eines von Gebhardt benannten, aus vier Frauen bestehenden »Kernteams«, Marika Tändler-Walenta aus Mittelsachsen und Sarah Buddeberg aus Dresden, kamen auf die Plätze 5 und 6. Dass sich Marco Böhme aus Leipzig dazwischen schieben konnte, lag im Wahlverfahren begründet: Abgestimmt wurde im Block über je drei Kandidaten; deren Reihenfolge bestimmte die jeweilige Quote an Ja-Stimmen. Ohne Erfolg blieb der Versuch des Leipziger Lehrers Marco Götze, sich als Bildungsexperte einen vorderen Platz zu sichern. Er kritisierte, dass auf der Liste »alles sorgsam austariert wurde - außer den wichtigen Themen«.
Auf weitere Plätze kamen die Jugendvertreterin Anna Gorskih, Franz Sodann aus Leipzig, Luise Neuhaus-Wartenberg aus Nordsachsen, Mirko Schultze (Görlitz), Kerstin Köditz aus Westsachsen und der Chemnitzer Nico Brünler. Nach Platz 12 indes wurde dem Listenvorschlag nicht mehr in jedem Fall gefolgt. Platz 14 errang der dort zunächst nicht berücksichtigte, für seinen unorthodoxen Politikstil bekannte Hochschulpolitiker René Jalaß; die Leipzigerin Jule Nagel, die 2014 das einzige Direktmandat für ihre Partei geholt hatte, kam auf Platz 15. Ihre Befürworter betonten, dass beide bei der CDU »Schaum vor dem Mund« verursachten. Auf Platz 13 steht Antonia Mertsching, die in entwicklungspolitischen Netzwerken arbeitet und ihre Entscheidung für die LINKE damit begründet, dass man »die Roten grüner, aber die Grünen nicht roter machen« könne. Ab Platz 16 folgen Lutz Richter (Sächsische Schweiz), Janina Pfau aus dem Vogtland und der Dresdner Fraktionschef André Schollbach. Platz 19 erkämpfte mit der Finanzexpertin Verena Meiwald erneut eine Abgeordnete, die es zunächst nicht auf den Listenvorschlag geschafft hatte. Dadurch rutschte Marion Junge als erste Vertreterin aus Bautzen auf Platz 21.
Auch dieser gilt angesichts aktueller Prognosen, welche die LINKE bei 17 Prozent sehen, als sicher. Eher ungewiss ist ein erneuter Landtagseinzug dagegen für Bewerber wie Jana Pinka (Mittelsachsen), die unter Anspielung auf ihre Parlamentserfahrung geworben hatte, die Partei möge »ihre Schlachtrösser nicht vergessen«. Sie kam trotzdem nur auf Platz 25, gefolgt von Innenexperte Enrico Stange, der mit dem Anlauf auf einen aussichtsreicheren Platz scheiterte, obwohl Spitzenkandidat Gebhardt persönlich für ihn warb. Dieser hatte die Partei zuvor auf einen engagierten Wahlkampf eingeschworen und betont, die LINKE werde in Sachsen zwar »Garant für einen Politikwechsel« sein, aber »kein Mehrheitsbeschaffer für irgendeine Koalition«.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.