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Frieden rückt stärker ins Bewusstsein
Rund 100 Ostermärsche / Bewegung sieht sich im Aufwind / Auch Gewerkschaften wieder stärker engagiert
Zu einigen Ostermärschen kamen mehr als 1000 Friedensbewegte, anderenorts waren es nur einige Dutzend. Der Sprecher des zentralen Ostermarschbüros, Willi van Ooyen, zog gleichwohl eine positive Bilanz. Die regionalen Organisatoren hätten eine rege Beteiligung an den Veranstaltungen signalisiert, sagte er. Dies zeige die stabile Organisationsstruktur der Friedensbewegung, die im ganzen Land in der Lage sei, für Frieden und Abrüstung, gegen die Militarisierung nach innen und außen Aktionen zu organisieren.
Das in Bonn ansässige Netzwerk Friedenskooperative sprach von einem erkennbaren Zuwachs der Teilnehmerzahlen. Sie nähmen damit seit 2014 kontinuierlich zu. Friedenspolitische Themen seien offensichtlich wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Dazu zählten vor allem die voranschreitende Aufrüstung Deutschlands, die Gefahr eines nuklearen Wettrüstens in Europa und die skandalösen Rüstungsexporte an menschenrechtsverletzende und Krieg führende Staaten wie Saudi-Arabien.
Eine Umfrage gibt den Friedensbewegten indirekt recht. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen von 59 Prozent spricht sich dem Meinungsforschungsinstitut YouGov zufolge dafür aus, dass die US-Atomwaffen von deutschem Boden abgezogen werden. Die Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab, dass nur 18 Prozent gegen den Abzug der rund 20 Atombomben sind, die auf einem Fliegerhorst im rheinland-pfälzischen Büchel stationiert sind. Überdies schürt die Kündigung des INF-Vertrags zum Verbot atomarer Mittelstreckenraketen Befürchtungen, dass eine neue atomare Rüstungsspirale in Gang kommen könnte. Die Angst vor einem Atomkrieg ist der YouGov-Umfrage zufolge aber nicht gewachsen. Zwar sagten 22 Prozent der Befragten, dass sie einen Atomkrieg in den kommenden zehn Jahren für wahrscheinlich halten. Bei einer Umfrage vor der Kündigung des INF-Vertrags Ende 2017 waren es aber noch 32 Prozent.
»Die Forderung nach Abrüstung ist für viele Menschen zentral«, sagte der Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative, Philipp Ingenleuf. »Sie fürchten, dass Geld nicht in Bereiche wie Rente, Bildung, Pflege oder Klimaschutz investiert wird, sondern in Raketen, Bomben und Panzer.« Darum engagierten sich beispielsweise auch wieder mehr Gewerkschaften bei den Ostermärschen. Das Thema Klimawandel sei in diesem Jahr durch die »Fridays for Future«-Bewegung ebenfalls präsenter gewesen als in den Vorjahren und habe neue Menschen zu den Ostermärschen gebracht.
In vielen Städten verlangten die Ostermarschierer ein weltweites Verbot von Atomwaffen, in mehreren Aufrufen wurde konkret der Abzug der US-Atomwaffen aus dem rheinland-pfälzischen Büchel verlangt. Angeprangert wurden auch die hohen Ausgaben für Rüstung in Deutschland - sie sollen 2019 um zwölf Prozent auf mehr als 40 Milliarden Euro ansteigen.
Die ersten Ostermärsche gab es bereits an Gründonnerstag und Karfreitag unter anderem in Chemnitz, Erfurt, Gronau, Jagel und Ulm. Während sich an der Demo von der Ulmer Wilhelmsburgkaserne in die Innenstadt rund 400 Menschen beteiligten, kamen zur Mahnwache auf dem Erfurter Anger gerade mal 50.
Beim Ostermarsch im westfälischen Gronau forderten mehr als 300 Demonstranten am Freitag: »Atomwaffen ächten, Urananreicherung stoppen!« Sie zogen zur bundesweit einzigen Urananreicherungsanlage. Die Fabrik ist vom deutschen Atomausstieg ausgenommen und beliefert auch marode AKW wie Tihange und Doel in Belgien mit frischem »Brennstoff«. »Die Technologie der Urananreicherungsanlage ist geeignet, um atomwaffenfähiges Material herzustellen«, sagte Felix Werdermann von der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) bei der Kundgebung.
Rund 50 Ostermärsche fanden am Sonnabend statt. In Göttingen wandten sich Redner unter anderem gegen das Auftreten der Bundeswehr an Schulen. Die Armee werbe etwa mit Multi-Media-Trucks massiv und gezielt bei Minderjährigen, hieß es. Ganze Unterrichtsstunden würden durch Jugendoffiziere der Bundeswehr gestaltet, Lehrer würden im Sinne der Bundeswehr fortgebildet, Kasernen lüden Schulklassen zu Tagen der offenen Tür ein. Sogar Waffenschauen und Schießsimulationen würden den Schülern angeboten.
In Bremen, Berlin und Düsseldorf versammelten sich jeweils rund 1000 Ostermarschierer. Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt war Etappenziel beim traditionellen Ostermarsch Ruhr. Am Sonntag radelten die Demonstranten weiter über Gelsenkirchen, Wattenscheid und Herne bis nach Bochum. Dort verlangten Redner eine deutlich stärkere Bekämpfung der Fluchtursachen.
Beim Abschluss des Ruhr-Ostermarsches in Dortmund wollten die Friedensaktivisten am Montag im Stadtteil Dorstfeld ein Zeichen gegen Rechts setzen. Gerade im Ruhrgebiet seien Neonazis aktiv, und Dortmund-Dorstfeld sei ein Hotspot der rechten Szene, sagte der Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsgegnerInnen, Joachim Schramm.
Der Internationale Bodensee-Friedensweg führte am Montag von Konstanz ins schweizerische Kreuzlingen. Im Eichsfeld zogen Friedensmarschierer aus Niedersachsen und Thüringen zum »West-Östlichen-Tor« auf dem ehemaligen Grenzstreifen. Das Mahnmal aus Baumstämmen war 2002 vom sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow und dem damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) seiner Bestimmung übergeben worden.
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