Gewaltsames Szenario verhindern

Andrej Hunko über seine Venezuela-Reise und die Treffen mit Maduro und Guaidó

Ihre Bundestagskollegen Johann Wadephul (CDU) und Nils Schmid (SPD) haben Sie für Ihre Begegnung mit Venezuelas Präsident Nicolás Maduro kritisiert. Ersterer nannte sie »skandalös«, Letzterer »peinlich«. Was sagen Sie dazu?

Die Empörung einiger Bundestagskollegen hat mich erreicht, als ich gerade bei den Pemón-Urweinwohnern im Südosten Venezuelas war, die seit 20 Jahren die Rückgabe des entwendeten Kueka-Steins von Deutschland fordern. Ich halte die Empörung für zutiefst heuchlerisch und aufgesetzt. Im Rahmen meiner Reise hatte ich rund 30 Gesprächstermine mit Regierung, Opposition, Hilfsorganisationen, Menschenrechtsgruppen und Politikwissenschaftlern. Ich hatte ursprünglich allerdings weder Gespräche mit Maduro noch Guaidó eingeplant. Als sich die Möglichkeit ergab, mit ihnen zu sprechen, habe ich zugesagt. Wer solche Gespräche ablehnt, hat entweder keine Ahnung von internationaler Politik oder möchte eine gewaltsame Lösung. Und selbstverständlich habe ich jedem Gesprächspartner die Hand gegeben.

Andrej Hunko
Andrej Hunko ist Europapolitischer Sprecher der LINKEN im Bundestag. Vom 16. bis 27. April besuchte er Venezuela, um sich dort ein Bild von der Lage zu machen und politische Gespräche zu führen. Hauptinteresse bei der Reise waren die humanitäre Situation sowie Möglichkeiten für eine friedliche Lösung der politischen Krise. Von CDU und SPD gab es Kritik an seinem Treffen mit Präsident Nicolás Maduro.

Sie plädieren für eine Lösung der Krise auf dem Wege des Dialogs unter Wahrung der Gewaltfreiheit. Stießen Sie bei Präsident Nicolás Maduro und dem selbst ernannten Präsidenten Juan Guaidó auf offene Ohren?

Das Grundproblem ist, dass es in der Vergangenheit schon verschiedene Dialogformate gab, die dann in letzter Minute von der Opposition abgebrochen wurden. So etwa vor den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr unter Beteiligung des ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero. Aktuell gibt es zwei Formate. Einerseits den von Mexiko und Uruguay angestoßenen Montevideo-Prozess, an dessen Ende auch Neuwahlen stehen können, der aber zunächst keine Vorbedingungen für Gespräche vorsieht. Er wird von Guaidó abgelehnt. Und andererseits die von der EU initiierte »Internationale Kontaktgruppe«, die Neuwahlen als Voraussetzung ansetzt, was wiederum von Maduro abgelehnt wird.

Warum?

Maduro hat mir gesagt, dass er immer offen für Dialog sei, es dürfe aber nicht so sein, dass die Gespräche wie vor einem Jahr auf Druck der USA von der Opposition abgebrochen werden. Guaidó und seine Unterstützer sehen Gespräche gegenwärtig nur als Taktik der Regierung, Zeit zu gewinnen. Letztlich wird es auch davon abhängen, ob die internationale Gemeinschaft - und damit meine ich nicht nur die EU und die USA, sondern auch China, Russland, Indien, und die Staaten Afrikas - an einer solchen Lösung interessiert ist. Sanktionen und militärische Interventionsdrohungen werden die innenpolitische Lage nur weiter verhärten. Letzteres wird sogar von moderaten Teilen der Opposition so gesehen.

Wie stellt sich Maduro einen Ausweg aus der Krise vor?

Ich hatte schon den Eindruck, dass Maduro an einem dialogischen Prozess interessiert ist, er ist allerdings sehr misstrauisch, was die Abhängigkeit seiner Gesprächspartner von den USA angeht. Er hat immer wieder betont, dass die Lösung der Krise eine souveräne Entscheidung des venezolanischen Volkes sein muss. Es war aber auch offensichtlich, dass er sich auf einen längeren Prozess einstellt und auf Widerstand und Überlebensstrategien angesichts der ökonomischen Strangulierung, insbesondere durch die USA.

Sie waren im Armenviertel Petare unterwegs und trafen José Federico Hernández, den Leiter der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation in Venezuela. Wie ist Ihr Eindruck von der sozialen Krise?

Wenn man durch die Straßen von Caracas geht, hat man nicht unmittelbar das Gefühl, in einer humanitären Krise zu sein. Venezuela ist zweifellos in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, die humanitäre Situation ist schlimm. So breiten sich Krankheiten wie Malaria und Masern in einigen Gegenden aus. Die humanitäre Situation ist allerdings bei weitem nicht so schlimm wie meist in unseren Medien dargestellt. Ich habe sowohl die Leiterin des Roten Kreuzes als auch den Leiter der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation in Venezuela getroffen. Beide bestätigten, dass sie keinerlei Beschränkungen ihrer Arbeit seitens der Regierung ausgesetzt sind. Das Bild, die Regierung lasse keine humanitäre Hilfe zu, ist definitiv falsch. Das Problem beginnt, wenn die humanitäre Situation mit einer möglichen militärischen Intervention verknüpft wird, wie es vor wenigen Tagen etwa der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten. Luis Almagro, getan hat. Die Regierung versucht deshalb, Begrifflichkeiten zur Beschreibung der sozialen Krise zu vermeiden, die eine solche Intervention rechtfertigen könnten.

Was heißt für Sie Solidarität mit der venezolanischen Bevölkerung?

Solidarität in Deutschland und Europa heißt zunächst, sich gegen militärische Drohungen und Wirtschaftssanktionen zu wenden, unter denen die Bevölkerung am meisten leiden würde. Es heißt auch, die Lösung der Krise als souveräne Entscheidung der Menschen in Venezuela zu begreifen. Es heißt nicht, unkritisch zu sein oder die Augen vor tatsächlichen Fehlentwicklungen zu verschließen. Allerdings sind wir meines Erachtens verpflichtet, uns entschieden gegen diejenigen zu stellen, die auf ein gewaltsames Szenario hinarbeiten.

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