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Viel Kritik nach Entscheidung für Wahlwiederholung

Politiker auf EU- und Bundesebene sind entrüstet über die Annullierung der Bürgermeisterwahl

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Istanbul. Nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul hat die EU die türkische Wahlbehörde aufgerufen, »unverzüglich« die Gründe für die Wiederholung der Wahl zu nennen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn erklärten am späten Montagabend, die Gründe für die »weitreichende Entscheidung« der Wahlbehörde, die in einem »höchst politisierten Kontext« getroffen worden sei, müssten »unverzüglich für eine öffentliche Überprüfung bereitgestellt werden«.

Freie, faire und transparente Wahlen seien für jede Demokratie unverzichtbar, fügten Mogherini und Hahn hinzu. Die Istanbuler Wahlbehörde müsse ihre Arbeit in einer »unabhängigen, offenen und transparenten Art« ausüben können. Mogherini und Hahn forderten, auch bei der Neuwahl internationale Wahlbeobachter zuzulassen.

Die türkische Wahlbehörde hatte am Montagabend einer Beschwerde der türkischen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan stattgegeben und eine Wiederholung der Wahl vom 31. März angeordnet. Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu von der oppositionellen CHP sprach von »Verrat«.

Auch deutsche Politiker verurteilten die Entscheidung der Wahlbehörde. Die LINKE-Vorsitzende Katja Kipping forderte auf Twitter, dass die Bundesregierung »dem gewählten neuen Bürgermeister Imamoglu jetzt den Rücken stärken« solle. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Nicola Beer, schrieb ebenfalls auf Twitter, dass die Türkei nun kein Partner mehr für die EU sei.

Der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, sagte dem »Spiegel«, früher habe die AKP die Annullierung von knappen Wahlen mit dem Argument abgelehnt, die Opposition sei ein schlechter Verlierer. Jetzt wolle sie so lange wählen lassen, »bis das Ergebnis passt«. »Die Bürger Istanbuls werden das nicht durchgehen lassen«, zeigte sich Schmid überzeugt. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) kritisierte die Entscheidung der türkischen Wahlbehörde. »Das ist eine Kriegserklärung gegen die Reste der Demokratie«, sagte Roth dem Berliner »Tagesspiegel«.

In der Türkei zeigte sich der türkische Industrie- und Wirtschaftsverband (Tüsiad) besorgt. In einer Zeit, in der man sich auf »umfangreiche wirtschaftliche und demokratische Reformen konzentrieren müsse«, sei die »Rückkehr in eine Wahlatmosphäre besorgniserregend«, teilte der Verband auf Twitter mit. Diese Bedenken habe man auch schon zuvor geäußert, hieß es.

Wahl des Stadtparlaments zweifelt die AKP nicht an

Die Wahlbehörde YSK hatte die Wiederholung der Abstimmung in der Millionenmetropole nach einem Treffen des obersten Wahlvorstands angeordnet, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag berichtete. Die AKP hatte eine Annullierung des Urnengangs vom 31. März beantragt. Für die Wahl des Stadtparlaments hat die AKP nicht beantragt, diese noch einmal stattfinden zu lassen. Hier gewann sie bei der Kommunalwahl die Mehrzahl der Sitze.

Imamoglu war bei der Istanbuler Bürgermeisterwahl nach einer zweiten Auszählung mit rund 15.000 Stimmen knapp vor dem AKP-Kandidaten und früheren Ministerpräsidenten Binali Yildirim gelandet. Die AKP hatte angebliche »Unregelmäßigkeiten und Korruption« bei der Wahl beanstandet und eine Wiederholung gefordert. Einige Wahlbeobachter seien frühere Staatsbeamte gewesen, die per Dekret während des Ausnahmezustands aus dem Staatsdienst entlassen worden waren.

Die Wahlbehörde hatte den Wahlsieg des Oppositionspolitikers Imamoglu im April anerkannt, allerdings könnte ihm das Mandat nun wieder abgenommen werden. Die CHP rief ihre Unterstützer nach eigenen Angaben zur Ruhe auf. In einer Mitteilung an Helfer hieß es demnach: »Lasst uns zusammenstehen, lasst uns ruhig bleiben, bitte. Wir sind jetzt mehr. Wir strengen uns erneut an. Wir werden gewinnen, wir werden wieder gewinnen.«

Bisherige Niederlage für Erdogan

Der Verlust von Istanbul war für Erdogan und seine Partei bitter, da die 16-Millionen-Metropole das kulturelle und wirtschaftliche Herz der Türkei ist. Zudem stammt Erdogan selbst vom Bosporus und begann dort 1994 seine politische Karriere als Bürgermeister. Die Niederlage wog umso schwerer, da die AKP bei der landesweiten Kommunalwahl am 31. März zwar stärkste Partei wurde, aber auch die Hauptstadt Ankara an die Opposition verlor. Insgesamt gingen damals vier der fünf größten Städte des Landes an die Opposition.

Als Grund für die Verluste der AKP wurde die Wirtschaftslage angeführt. Erstmals seit zehn Jahren ist die Türkei in die Rezession gerutscht, die Inflation liegt bei 20 Prozent und kurz vor der Wahl sorgten starke Schwankungen der Währung für zusätzliche Nervosität in Ankara.

Erdogan war im Wahlkampf sehr präsent, auch wenn er selbst nicht antrat. Rund 57 Millionen Türken waren am 31. März dazu aufgerufen, in 81 Provinzen Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 84 Prozent. Agenturen/nd

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