Neonazi-Gartenträume

In Leipzig könnte sich der Verfassungsschutz schützend vor Rechte gestellt - und ihnen eine Veranstaltung im Kleingartengebiet ermöglicht haben

  • Nina Böckmann und Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 4 Min.

Themar und Ostritz wurden nicht gefragt, doch die Kleinstädte sind trotzdem zur Bühne von Kapellen mit Namen wie »Stahlgewitter«, »Blutzeugen« und »Treueorden« geworden. Rechtsrockkonzerte sorgten in Sachsen spätestens seit dem letzten Sommer immer wieder für Ärger. Die Konzerte stoßen zwar auf immer breitere Ablehnung – nicht zuletzt, weil dort Bands spielen, die auf dem Index stehen. Einige Gemeinden wehren sich und werden kreativ darin, den Rechtsextremen die Räume eng zu machen. Doch diese suchen sich andere Auftrittsorte.

Kleingartenvereine gibt es in Sachsen viele. Seit geraumer Zeit dienen sie nicht nur zur Entspannung gestresster Städter, sondern sind Schauplatz politischer Veranstaltungen geworden. Eine Anfrage des sächsischen Grünen-Politikers Valentin Lippmann deckte auf, dass es in Sachsen 2018 17 der Staatsregierung bekannte Fälle rechtsextremistischer Aktivitäten in sächsischen Kleingartenanlagen gab. Dabei handelte es sich um Mitgliedertreffen, Schulungen sowie Zeitzeugenvorträge.

Mehrere Punkte in der Kleinen Anfrage werden nicht beantwortet. Zur Begürdung führt die sächsische Staatsregierung Geheimhaltungsinteresse an. Es heißt: »Die Weitergabe dieser Informationen würde die eingesetzten Methoden der Nachrichtenbeschaffung den im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens zu beteiligenden Personen offenbaren oder Rückschlüsse auf die Art nachrichtendienstlicher Zugänge ermöglichen und somit die Arbeitsfähigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen gefährden«. Zu deutsch: Der Verfassungsschutz hat Informationen über diese Veranstaltungen gesammelt, möchte diese aber nicht an die Öffentlichkeit geben.

Einige der Kleingärtnervereinsheime, in denen Nazikonzerte stattfanden, gehören einschlägigen rechten Kadern. Andere werden vermietet. Dabei wissen die Vereine oft nicht, wen sie sich in den Garten holen.

Falk Dossin ist Stadtrat der CDU in Leipzig. Er legt aber Wert auf Ämtertrennung. Folgendes erzählt er in seiner Funktion als Vorstand des »SV Fortuna Leipzig«. Im Juli 2017 spielte die seit Jahrzehnten aktive Neonazi-Band »Kategorie C« im Vereinsheim des Kleingartens. Im Dezember desselben Jahres fand eine zweite Veranstaltung in dem Vereinsheim statt. Dieses Mal veranstalteten Neonazis einen »Zeitzeugenvortrag«.

Dossin bestätigt auf Nachfrage des »nd«, sowohl im Juli als auch im Dezember 2017 an Neonazis vermietet zu haben. Es sei ihm allerdings nicht bewusst gewesen, um wen es sich bei der Mieterin handelte. Eine junge Frau kam zur Besichtigung vorbei. Sie mietete die Räume für eine Geburtstagsfeier. Dass er getäuscht wurde, erfuhr Dossin nach eigener Aussage erst eine Woche später. Informiert habe ihn darüber die Polizei und der Verfassungsschutz Sachsen. »Wir erfuhren, dass ein Konzert stattgefunden haben soll, bei der eine Person rechtsradikal gewesen sein soll. Das kam für uns überraschend«, so Dossin.

Warum vermietete der Falk Dossin dann noch ein zweites Mal an die Rechten? Dieselbe Frau fragte erneut nach einem Termin. »Ich wollte natürlich absagen«, erzählt er. Doch der Verfassungsschutz bat den Stadtrat, den Nazis ihre Feier zu lassen. Man wolle die Veranstaltung gerne begleiten, hieß es.

Falk Dossin, etwas überrumpelt, gab der Bitte des Verfassungsschutzes nach, ließ die Veranstaltung stattfinden. Noch mal würden wir das aber nicht machen, sagt Dossin. Inzwischen gäbe es einen Vorstandsbeschluss des Vereines dazu. Auch wenn der Verfassungsschutz darauf drängt, das nächste Mal wolle man das Hausrecht durchsetzen und nicht vermieten.

Martin Döring, Sprecher des sächsischen Verfassungsschutzes, kann sich das nicht vorstellen. Im Gegenteil. Seine Behörde tue seit jeher alles, um solche Veranstaltungen zu verhindern. Beispielsweise, indem die Vereine vorgewarnt würden, so man Kenntnis von den Veranstaltungen habe. Eine Veranstaltung stattfinden zu lassen, das widerspräche der klaren Strategie des Verfassungsschutzes, die Räume für Rechtsextremisten eng zu machen.

Der Inlandsgeheimdienst widerspricht damit der Darstellung des Vorstandes des »SV Fortuna Leipzig«. Schützt er damit seine Informanten? Oder weiß in der Behörde der eine Arm nicht, was der andere macht?

Pikant daran, dass der Verfassungsschutz den Zeitzeugenvortrag durchgebracht haben soll, ist noch ein anderes Detail: Erst vor kurzem bat der Verfassungsschutz die Universität Leipzig zu einem Gespräch: Linksextremisten machen sich an der Universität breit, so der Inlandsgeheimdienst. In der Folge wurden mehrere Vorträge von dem Rektorat abgesagt wegen der Beteiligung einer Gruppe, die der Verfassungsschutz als »linksextrem« listet. »nd« berichtete damals als Erstes über die Einmischung des Verfassungsschutzes an den Hochschulen.

Geht die Behörde anders gegen Linke als gegen Rechte vor? Klar ist: Kleingartenanlagen werden immer mehr zum Ort rechtsextremer Aktivitäten. Die Nazis aus den Gärten zu verbannen, ist jedoch nicht einfach. Alleine schon, weil viele von den Gärten im Besitz rechter Kader sind. Man wird sie wohl auch in Zukunft gemeinsam bestaunen können: Nationalsozialisten und Narzissen.

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