Salvini erhöht Druck auf Regierung

In Italien kann die rechtsextreme Lega den Bruch der Koalition kaum erwarten

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt tiefgreifende Differenzen zwischen der Bewegung 5 Sterne (M5S) und der Lega. Dies räumt der Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei sowie Vizepremier und Innenminister Italiens, Matteo Salvini, ein. Man sei sich nicht nur in der Flüchtlingsfrage uneins, sondern auch bei den Autonomiebestrebungen des Nordens sowie in der Frage der Hochgeschwindigkeitstrasse TAV von Turin nach Lyon in Frankreich.

Doch so richtig hoch schlagen die Wellen erst, seit die »Grillini«, die Anhänger der M5S, benannt nach dem Gründer der Partei, dem Kabarettisten Beppe Grillo, den Rücktritt des Lega-Staatssekretärs im Verkehrsministerium fordern. Gegen Armando Siri wird wegen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Bau von Windparks ermittelt. Verwickelt darin sind der Unternehmer und Berater Salvinis, Paolo Arata, sowie der in Italien als »Re dell’eolico«, als »König der Windenergie« benannte Sizilianer Vito Nicastri. Der wiederum sieht sich gerade einem Gerichtsverfahren wegen Zugehörigkeit zur Mafia ausgesetzt: Nicastri ist einer der engsten Vertrauten des Cosa-Nostra-Bosses Matteo Messina Denaro, meist gesuchter Mafioso Italiens.

Kein Wunder also, dass M5S - will die Bewegung ihrem Credo der Transparenz treu bleiben - den Rücktritt des Staatssekretärs Siri forderte. Dem entsprach Premier Giuseppe Conte am Mittwoch per Dekret, sehr zum Verdruss des Lega-Chefs Salvini, der sich hinter seinen Politiker stellte. Man werde absolut gegen eine Demission Siris stimmen, so verkündete der Innenminister. Conte kam einem Votum zuvor, in dem er seine rechtlichen Möglichkeiten ausnutzte, die Abberufung per Order durchzusetzen. Noch ist nicht entschieden, ob Salvini bereits jetzt die Konsequenzen zieht und die Regierung aus der ungleichen Koalition zu Fall bringen wird.

Partner Luigi Di Maio, Parteichef der Sternebewegung, versuchte immerhin zu beruhigen und erklärte, es mache keinen Sinn, soviel Lärm um einen Staatssekretärsposten zu veranstalten.

Doch Matteo Salvini geht es letztlich nicht um die Personalie Siri. Der Vizepremier und Innenminister provoziert, wo er nur kann. Erst jüngst benutzte er den Balkon eines Palazzos über der Piazza Saffi in Forli als Rednertribüne bei einer Wahlkampfveranstaltung der Lega in Forli. Das hat seit dem Sturz Benito Mussolinis in den vergangenen 75 Jahren kein italienischer Politiker gleich welcher Couleur gewagt. Proteste des sozialdemokratischen Bürgermeisters von Forli, Davide Drei, nannte Salvini »lächerlich«. Eine Wahlrede vom Duce-Balkon zu halten, sei keine »Verherrlichung des Faschismus«, der ohnehin nicht wiederkehre, so der Innenminister. Unzweifelhaft jedoch wirbt Salvini mit solchen Veranstaltungen um die Wählerschaft im rechtsextremen Spektrum. Dazu zu rechnen ist auch die Herausgabe eines Interviewbandes im CasaPound-Verlag »Altaforte«. Dessen Stand wurde gerade auf der aktuellen Buchmesse von Turin wegen Verherrlichung des Faschismus geschlossen.

Zu Salvinis Anbiederung an den rechten Rand gehörte auch seine demonstrative Verweigerung, an den Feierlichkeiten zum Tag der Befreiung vom Faschismus am 25. April - einem der höchsten italienischen Feiertage - teilzunehmen.

Je ungenierter sich Salvini auf seinem populistischen Kurs bewegt, desto mehr scheint ihm das Vertrauen der italienischen Wählerschaft sicher. Jüngsten Umfragen Anfang der Woche zufolge erklären 48 Prozent der Befragten, sie seien mit der Arbeit des Innenministers und Vizepremiers zufrieden. Einst als norditalienische Separatistenbewegung angetreten hat sich die Lega inzwischen zur stärksten politischen Kraft im Lande entwickelt. Wären am Wochenende Wahlen, könnte die Partei mit etwa 33 Prozent der Stimmen rechnen. Auf eine Koalition mit den Sternen wäre sie nicht mehr angewiesen. Ein rechtes Bündnis würde würde wohl eine parlamentarische Mehrheit erreichen. Und darauf zielt Salvini ab.

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