Schöner wählen ohne Nazis

Kampagne zum Brandenburger Superwahljahr 2019 vorgestellt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Am Freitag vor dem Jugendklub »Clubmitte« in Potsdam
Am Freitag vor dem Jugendklub »Clubmitte« in Potsdam

Melanie Ebell setzt sich hinter das Schlagzeug und schwingt die Drumsticks und fängt an zu trommeln. So startet die Geschäftsführerin des brandenburgischen Landesjugendrings am Freitag im Potsdamer Jugendklub »Clubmitte« die diesjährige Sommertour der Kampagne »Schöner Leben ohne Nazis«. Sie läuft schon seit 2013. Im Superwahljahr 2019 beginnt die Sommertour extra etwas früher als üblich - gerade noch pünktlich zu den Kommunal- und Europawahlen am 26. Mai. Die sollen gemeinsam mit der Landtagswahl am 1. September in diesem Jahr der Schwerpunkt der Kampagne sein, die am 1. September endet. Extra für die Europawahl sind die Plakate mit dem Slogan »Schöner leben ohne Nazis« in die Sprachen derjenigen EU-Staaten übersetzt worden, in denen extrem rechte Parteien mitregieren. Das sind neben Ungarn und Polen Dänemark, Italien und Österreich. Für Österreich heißt es: »Scheena lebn ohne Nazis.«

Geplant sind Konzerte im ländlichen Raum, dem, anders als großen Städten wie Potsdam, eine lebendige Alternativkultur fehle, wie Thomas Prenzel erläutert. Prenzel ist stellvertretender Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt, in dem 80 Verbände, Stiftungen und Zusammenschlüsse vereint sind, darunter die F.C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz. Die Stiftung finanziert die Sommertour mit 40 000 Euro komplett. »Die Kampagne ›Schöner Leben ohne Nazis‹ eignet sich gut dafür, Jugendlichen den Rücken zu stärken und ein Lebensgefühl zu vermitteln«, findet Stiftungschefin Susanne Krause-Hinrichs. Mit Blick auf die Europawahl formuliert sie: »Für die meisten Jugendlichen ist Europa selbstverständlich. Sie können sich gar nicht vorstellen, dass es die EU nicht gibt.«

Neben Straßenfesten soll es in Brandenburg Konzerte mit Musikern aus der Gegend, etwa mit Schülerbands geben. Fest stehen bereits Termine am 17. Mai in Birkenwerder, am 25. Mai in Templin, am 18. August in Bad Belzig und am 30. August in Lübbenau. Weitere Termine in Königs Wusterhausen und Spremberg sollen folgen. Es sei auch noch Platz auf dem Tourplan, erläutert Melanie Ebell vom Landesjugendring. Wer sich interessiert, könne sich gerne melden. Zum Musikstil gibt es keine Vorgaben. Auch Streichquartette und Chöre seien willkommen, versichert Ebell. Es gibt jedoch nicht nur Musik, auch Schlüsselbänder, Fahrradklingeln, Kaffeebecher, Brotdosen, Stoffbeutel und Lutscher sowie Kondome mit der Aufschrift »Schöner Leben ohne Nazis« sollen verteilt werden. Mit diesen lassen sich nicht nur ungewollte Schwangerschaften verhindern, sondern - propagandistisch gut eingesetzt - auch Neonazis in den Parlamenten. »Mit den Vor-Ort-Aktionen wünschen wir uns, dass sich immer mehr Jugendliche mit der Kampagne identifizieren und durch den Slogan ›Schöner Leben ohne Nazis‹ sowie durch die angebotenen Materialien eine gute Möglichkeit haben, sich zu positionieren.«

Bei der Landtagswahl 2014 war die neofaschistische NPD in Brandenburg mit 2,2 Prozent unter der Fünf-Prozent-Hürde geblieben, die von der inzwischen in der NPD aufgegangenen Deutschen Volksunion (DVU) 1999 und 2004 noch knapp überwunden worden war. Die NPD stellt in Brandenburg allerdings einige Kreistagsabgeordnete, Stadtverordnete und Gemeindevertreter. Die AfD erzielte bei der letzten Landtagswahl 12,2 Prozent. Die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap prognostiziert 19 Prozent für die AfD, die seit 2014 kontinuierlich nach rechts rückte. Inzwischen ist es so weit gekommen, dass die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (LINKE) urteilt: »Es tritt immer mehr zutage, dass die Brandenburger AfD mitnichten rechtspopulistisch ist, sondern immer mehr ins Rechtsextreme abdriftet. Jeder, der ihr seine Stimme gibt, nimmt in Kauf, dass Hardcore-Rechtsradikale in die Parlamente einziehen.«

Zur Bundestagswahl 2017 hatten die Jugendverbände Junge Union, Jusos, Linksjugend solid, Grüne Jugend und Junge Liberale im Rahmen der Kampagne »Schöner Leben ohne Nazis« vereint plakatiert: »Bunt statt Grauland«. Bildmotiv war ein alter Herr im Anzug mit einem Blumenstrauß an der Stelle, an der eigentlich der Kopf sitzen müsste. Das war eine unmissverständliche Anspielung auf AfD-Frontmann Alexander Gauland. Die 5000 Exemplare waren schnell vergriffen, und es wurden noch zwei Nachauflagen gedruckt. Bis heute gehe dieses Plakat »weg wie warme Semmeln«, heißt es. Auch aus anderen Bundesländern werden sie sehr gern bestellt.

Die Kampagne strebt erneut eine Zusammenarbeit mit der politischen Jugend an und hofft, dass die Nachwuchsorganisationen der fünf demokratischen Parteien diesmal die Plakate mit den fremdsprachigen Slogans aufhängen, nachdem sie mit dem Plakatieren für ihre Mutterparteien fertig sind. Für die Grüne Jugend verspricht dies prompt Philipp Maaßen. Er ist Beisitzer im Landesvorstand der Grünen Jugend.

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