- Politik
- Frauenstreik
»Eine Frau hat Jesus belehrt«
Die Katholikin Lisa Kötter hat einen Frauenstreik gegen die Kirche angezettelt
Frau Kötter, ab diesem Samstag streiken Sie und andere Frauen in der Kirche. Warum?
Der Temperaturunterschied zwischen der römisch-katholischen Kirche und der restlichen Gesellschaft ist ja jedem klar. Was Frauen angeht, leistet sich die katholische Kirche Strukturen wie in Saudi-Arabien. Übergeschäumt ist unsere Wut letzten Herbst, als die Zahlen über die furchtbare Gewalt herauskamen. Ich sage übrigens bewusst nicht Missbrauch, denn um etwas zu missbrauchen, muss man es ja »gebrauchen«. Menschen kann man aber nicht »gebrauchen«. Wir fordern, dass alle, die Gewalt ausgeübt oder vertuscht haben, der Staatsanwaltschaft zugeführt und bestraft werden. Sie müssen endlich aus allen Ämtern ausgeschlossen werden. Das Pflichtzölibat muss abgeschafft werden. Wir müssen die Sexualmoral der Kirche in die heutige Zeit heben, zum Beispiel gleichgeschlechtliche Paare akzeptieren und sie auch segnen. Und auch spirituelle Gewalt muss enden.
Die Künstlerin Lisa Kötter, Jg. 1960, hat genug von der patriarchalen Gewalt in der katholischen Kirche. Aus Protest dagegen legt sie mit anderen Ehrenamtlichen für eine Woche ihre Arbeit nieder. Das Motto der internetaffinen Frauen: »Maria 2.0«. Das Wort »Streik« sei erst in den Medien aufgekommen, sie fände es aber passend, erklärte die Initiatorin Lotte Laloire.
Wie zeigt sich spirituelle Gewalt?
Die funktioniert durch Gehirnwäsche. Frauen werden kontrolliert, manipuliert, sexuell missbraucht und anderweitig unter Druck gesetzt. Die Ordensfrau Doris Wagner beschreibt das in ihrem Buch »Nicht mehr ich: die wahre Geschichte einer jungen Ordensfrau«. Sie wurde mit einer spirituellen Begründung in eine devote Haltung gezwungen.
Welche Arbeiten werden Sie niederlegen?
Eine Ehrenamtliche aus Bockum-Hövel im Münsterland hat mir zum Beispiel erzählt, dass sie ihren Lepra-Strickkreis aussetzen wird. Die alten Damen stricken normalerweise Puppenkleidung, verkaufen sie und spenden das Geld für Leprakranke nach Asien. Nicht so diese Woche. Und auch hauptamtliche Frauen wollen mitstreiken. Frauen sind ja in den meisten Gottesdiensten in der Mehrheit. Sie arbeiten auch als Lektorinnen, machen Hausbesuche bei Kranken, arbeiten als Handwerkerinnen in der Gemeinde, organisieren Tafeln, singen im Chor, sind Ansprechpersonen für Geflüchtete. Die Liste ließe sich fortsetzen. Seit vielen, vielen Jahren sagen alle möglichen Frauen: »Wir müssten mal wegbleiben. Dann sehen die Männer, was eigentlich los ist.«
Unterstützen Gewerkschaften Sie?
Nein. Unsere Initiative »Maria 2.0« haben wir mit einer Handvoll ehrenamtlicher Frauen gegründet, ohne Verband oder Gewerkschaft. Daraufhin haben sich Hunderte Frauengruppen bei uns gemeldet, die mitmachen wollen und sich so selbst ermächtigen. Das ist eine absolute Basisaktion und auch kein Streik, bei dem es wie üblich um Lohnfragen geht, sondern eher ein kirchenpolitischer Streik.
Wie wird der Streik bei Ihnen in Münster aussehen?
Wir Frauen machen statt des normalen einen großen Gottesdienst draußen auf dem Vorplatz der Heilig Kreuz Kirche. Den Kirchplatz legen wir mit weißen Tüchern aus. Die Farbe hat in allen Kulturen eine wichtige Bedeutung. In Asien ist Weiß die Farbe der Trauer, und wir trauern über die Gewalt, die seit Jahrhunderten in der Kirche passiert. Im Judentum steht Weiß für Mitgefühl, und das haben wir mit allen, die in unserer Kirche Gewalt erfahren. Und Weiß steht für Neuanfang und den Aufbruch, hoffentlich zu einer Kirche, die mit allen auf Augenhöhe ist.
»Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht«, sagte einst Rosa Luxemburg. Sie sind in Bewegung. Was spüren Sie?
Wir merken, wie viel Angst Frauen abschütteln. Die katholische Kirche hat ein Gebäude der Angst aufgebaut. Das sieht man an den Frauen, die uns von ihren Erfahrungen schreiben, aber darum betteln, anonym zu bleiben. Es gibt Frauen, die haben nur unsere Seite auf Facebook geliked und sind sofort zum Chef zitiert worden. Jede Frau, die mit Kirche zu tun hat, weiß, dass es immer Grenzen gibt. Wenn unsere »Maria 2.0« eine Initiative von Männern wäre, also geweihten Priestern, bekämen wir von der Amtskirche sicher mehr Aufmerksamkeit. Es gibt neben unserem tollen Pfarrer nur einen einzigen Bischof, der uns unterstützt, Bischof Overbek aus Essen und dessen Generalvikar. Ansonsten werden wir ignoriert. Und Ignoranz ist ein scharfes Schwert. Frauen kennen das zur Genüge. Das ist in allen männerbündischen Strukturen so, auch in Konzernen. Als Frau sagt man etwas, und keiner antwortet. Dann sagt ein Mann genau das Gleiche und alle sagen »Wow«.
Diese Ausgrenzung von Frauen, Andersdenkenden, Schwulen, Lesben und Genderleuten, die einfach neue Wege suchen, ist ja kein Zufall. Die werden ausgegrenzt, damit die Macht bei denen bleibt, die sie jetzt haben. Von diesen Herren, in unserem Fall von den Bischöfen, zu erwarten, dass sie freiwillig etwas von ihrer Macht abgeben … Warum sollten sie das tun? Außer vielleicht, wenn sie mal über Jesus Christus nachdenken. Das könnte natürlich helfen ...
Was kann Jesus da tun?
Auch Jesus wurde von einer Frau belehrt, wussten Sie das? Die Apostelin Maria Magdalena hat ihn mit Argumenten dazu gebracht zu überdenken, wen er alles tauft. Das war ein Aha-Erlebnis für ihn. Man kann es im Matthäus-Evangelium (15, 21-28) nachlesen. Letztlich ist aus dem Christentum, genauso wie aus den Ideen Karl Marx’, viel Unheil hervorgegangen - aber nicht, weil die Quelle schlecht ist, sondern weil Menschen Gift in den Fluss schütten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.