Jesus kommt nicht

Parlamentswahl in Südafrika: ANC verteidigt absolute Mehrheit, Zugewinne für linke EFF

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Sein African National Congress (ANC) werde »regieren, bis Jesus kommt«, lautete eine der Lieblingsparolen von Südafrikas Ex-Präsidenten Jacob Zuma. Für ihn selbst galt das nicht, im Februar vergangenen Jahres hatte Zuma nach unzähligen Korruptionsskandalen auf Druck aus dem eigenen Lager zurücktreten müssen.

In Bezug auf die Partei aber scheint die Prophezeiung wahr: Dem ANC konnte selbst die Unterwanderung staatlicher Institutionen sowie die Plünderung der Staatskonzerne durch Zumas Unternehmerfreunde wenig anhaben. Wie Südafrikas Wahlkommission am Samstag bekanntgab, hat die Partei, die das Land seit dem Ende der Apartheid 1994 regiert, ihre absolute Mehrheit bei den Parlamentswahlen vom Mittwoch einmal mehr verteidigt.

Dem amtlichen Endergebnis zufolge verlor der ANC gegenüber den letzten Wahlen 2014 zwar knapp fünf Prozentpunkte, errang mit nun 57,5 Prozent der Stimmen aber immer noch 230 der 400 Sitze im Kapstädter Parlament. Bei der Kommunalwahl 2016, der letzten Abstimmung unter Zuma an der Parteispitze, war die einstige Befreiungsbewegung landesweit nur noch auf 53,9 Prozent der Stimmen gekommen und hatte wichtige Metropolen an die Opposition verloren.

Für den neuen Präsidenten Cyril Ramaphosa bedeutet der vergleichsweise deutliche Wahlsieg daher auch innerparteilich eine Stärkung seiner Position. Der Geschäftsmann war im Dezember 2017 nur mit hauchdünnem Vorsprung und nach einer Kampfkandidatur gegen die Kandidatin des Zuma-Lagers an die Parteispitze gewählt worden, ehe er nach dessen erzwungenem Rückzug zum Staatschef aufstieg. Obwohl er schon in der vergangenen Legislaturperiode als Vizepräsident diente, fokussierte Ramaphosa seinen Wahlkampf stark auf die Bekämpfung der Korruption. Zugleich fanden sich auf der Kandidatenliste des ANC aber auch etliche loyale Kader des alten Präsidenten, die selbst in dessen Skandale verstrickt waren und nun erneut ins Parlament einziehen.

Wie der Präsident gegen diese Widerstände nun intern aufräumen will, bleibt zunächst sein Geheimnis. Klar ist jedoch, dass die Opposition von den Skandalen des ANC kaum profitieren konnte. Die neoliberale Democratic Alliance, weiterhin zweitstärkste Kraft im Parlament, verlor gegenüber 2014 sogar leicht und kam auf 20,8 Prozent der Stimmen. Die mit radikalen linken Forderungen nach Enteignungen von Ländereien, Banken und Monopolkonzernen in den Wahlkampf gezogene Partei Economic Freedom Fighters (EFF), weiterhin drittstärkste Parlamentsfraktion, gewann zwar 4,5 Prozentpunkte hinzu, konnte dem ANC mit nun 10,8 Prozent der Stimmen aber auch nicht gefährlich werden. Das lag auch daran, dass insbesondere die Jugend der Wahl weitgehend fernblieb. In der Altersgruppe der 18- bis 30-jährigen hatte sich überhaupt nur jeder Zweite vorab registrieren lassen, was in Südafrika notwendig ist, da es kein allgemeines Meldewesen gibt. Nur knapp zwei Drittel der Registrierten stimmten auch ab. Schlussendlich ging also nur etwa die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung wählen.

Gerade für die Opposition, die offensiv auf den Wandel durch die Stimmen der Jugend setzte, ist das ein Offenbarungseid. Dennoch hat vor allem die EFF weiter die Möglichkeit, das Regierungslager unter Druck zu setzen, weil sie traditionelle ANC-Wählergruppen anzieht. Bereits im vergangenen Jahr hatte der ANC daher im Parlament einen ursprünglich von der EFF eingebrachten Entwurf unterstützt, der auf eine Verfassungsänderung zugunsten entschädigungsloser Landenteignungen abzielte. Auch im neuen Parlament haben beide Parteien zusammen die dafür nötige Zweidrittelmehrheit.

Spannend wird allerdings, ob und wie der ANC unter Ramaphosa die Bodenreform weiter gestaltet. Denn dessen bisheriges Programm setzte vor allem auf eine wirtschaftsfreundliche Politik und das Anwerben internationaler Investoren. Statt einer stärkeren Besteuerung von Reichen und Unternehmen, setzt sein Finanzminister Tito Mboweni auf eine höhere Mehrwertsteuer, strikte Fiskalpolitik und Streichungen bei Sozialprogrammen. Der »Economist« und Goldman Sachs bewarben Ramaphosa daher vor der Wahl als Heilsbringer. Eine radikale Landreform passt da nicht wirklich ins Konzept.

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