Sächsischer Verfassungsschutz fürchtet sich vor linken Bands

Bericht für 2018 hält »Wir sind mehr«-Konzert in Chemnitz für ein Sammelbecken von »Linksextremisten« / Band »Feine Sahne Fischfilet« im Fokus

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Vorabbericht des sächsischen Verfassungsschutz 2018 ist erst seit Kurzem online, schon hagelt es Kritik für das darin beschriebene Mobilisierungspotenzial von linken Musikgruppen. Eine ganze DIN A4 Seite lang beschäftigt sich das Amt mit der Gefahr, die von linken Musikevents - wie dem »Wir sind mehr«-Konzert in Chemnitz am 3. September 2018 - ausgehen.

Wie die »Freie Presse« zuerst berichtete, taucht das Konzert im Kapitel »Linksextremismus« auf und wird als ein Beispiel dafür genannt, wie »linksextremistische« Musikgruppen öffentliche Veranstaltungen für »die Vermittlung ihrer politischen Ideen« nutzen. Dafür stehe der Auftritt der Band »Feine Sahne Fischfilet« aus Mecklenburg-Vorpommern in Chemnitz »vor 64.000 ganz überwiegend nichtextremistischen Zuschauern« exemplarisch, heißt es in dem Bericht.

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Zu der Gratisveranstaltung hatten verschiedene Bands eingeladen, darunter »Die Toten Hosen«, »Feine Sahne Fischfilet«, »Kraftklub« und der Rapper Marteria. Sie wollten mit dem dem Open-Air-Konzert ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus setzen. Das Konzert war eine Reaktion auf den gewaltsamen Tod eines 35-jährigen Deutschen und die folgende Vereinnahmung der Bluttat durch rechtspopulistische und rechtsextreme Aktivisten. Tatverdächtige waren zwei Asylsuchende. In der Folge kam es zu rassistischen Ausschreitungen und Demonstrationen in Chemnitz. Es kam zu Hetzjagden auf Ausländer sowie zu Übergriffen auf Polizei und Pressevertreter.

Der Demokratieforscher Michael Lühmann kritisiert, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen Antifaschismus per se als eine »destruktive Anti-Haltung« einstuft. Wen man diese Haltung vertrete, überrasche der Bericht nicht, schreibt Lühmann auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Auch der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger bewertet den Bericht negativ. »Wenn der Verfassungsschutz 65.000 Menschen von wirsindmehr in Chemnitz als Sicherheitsproblem für die Verfassung auffasst, sagt das mehr über den Verfassungsschutz selbst aus, als der Verfassungsschutzbericht über Wirsindmehr«, so Riexinger auf Twitter.

Im sächsischen Verfassungsschutzbericht heißt es weiter, die Berliner Musikgruppe K.I.Z. habe in ihrer Moderation der Chemnitzer Antifa und dem Schwarzen Block dafür gedankt, »dass sie in der Vergangenheit die ,Arbeit der Polizei‘ übernommen hätten«. Laut Inlandsgeheimdienst zeige das Chemnitzer Konzert mit seinen Zuschauerzahlen, »dass linksextremistische Interpreten bei solchen Veranstaltungen eine immense Breitenwirkung erzielen können«.

Sächsischer Verfassungsschutz beobachtet mehr linke Bands

Das Fazit des Berichts: »Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Anzahl der vom Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen registrierten Konzerte und Musikveranstaltungen mit Beteiligung linksextremistischer Bands im Freistaat Sachsen an.« Hintergrund ist, dass der sächsische Inlandsgeheimdienst einige Musikgruppen neu der linksextremistischen Szene zuordnete.

Besonders wird auf »Feine Sahne Fischfilet« eingegangen. Die Band sei mit »neun Auftritten die aktivste nichtsächsische linksextremistische Band, die in Sachsen agierte«. Die Konzerte in Sachsen würden regelmäßig von »Linksextremisten« besucht. So hätten Mitglieder der autonomen Szene an den Veranstaltungen der Konzerttour »Alles auf Rausch« am 9. Februar und am 27. Juli 2018 in Leipzig teilgenommen.

Bei diesen Konzerten seien Fahnen der »Antifaschistischen Aktion« gezeigt worden und die Parole »Alerta, alerta Antifascista!« gerufen worden. In wie fern das Zeigen der Fahnen und der Spruch problematisch sind, wird vom sächsischen Verfassungsschutz nicht erläutert.

»Feine Sahne Fischfilet« äußerte sich auf ihrem Facebook-Kanal zu dem Verfassungsschutzbericht. »Wir bekennen uns dazu, dass wir in Chemnitz 64.000 Menschen aufgefordert haben «Alerta Antifascista» zu rufen«, schrieb die Band. Sie bedauere es, dass sie nicht »zwischen allen Liedern die Auflösung des Verfassungsschutzes gefordert« habe. Des Weiteren lasse sie sich von »einer Behörde, die die Aufklärung des NSU-Komplex behindert und verhindert hat«, nichts sagen. Abschließend kündigte die Band an, am 6. Juli 2019 in Dresden ihr bisher größtes Konzert zu spielen. »Sachsen, wir freuen uns auf Dich!«, endete das Statement.

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