Menschliches Versagen bei Twitter

Vertreterin des Kurznachrichtendienstes gesteht in einer Ausschusssitzung im Bundestag Fehler ein

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter wurden in den vergangen Tagen zahlreiche deutsche Nutzer*innen gesperrt, betroffen waren auch viele linke Politiker*innen. Ein Beispiel ist die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD), deren Account bereits Anfang Mai gesperrt wurde. Eine solche Sperrung kommt nur zustande, wenn ein oder eine Nutzer*in die Person meldet.

Unter dem Hashtag #Twittersperrt hatten sich Nutzer*innen auf dem Kurznachrichtenportal darüber empört, dass sie wegen scheinbar harmloser Tweets gemeldet und von dem Unternehmen gesperrt wurden.

Seit Ende April gibt es einen neuen Meldemechanismus, der als Werkzeug gegen Wahlmanipulationen eingesetzt wurde und auf einen EU-Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation zurückgeht. Seither ist es möglich, öffentliche Nachrichten von Nutzer*innen als Wahlmanipulation anzukreiden und ihre Sperrung zu beantragen. Chebli und andere Nutzer*innen wurden aber aufgrund von Tweets gesperrt, in welchen es gar nicht um anstehende Wahlen ging. Die Sperrung Cheblis ging auf ihren Tweet mit der Nachricht: »Mein Vater hieß Mohammed. Ich heiße Sawsan Mohammed Chebli. Mein ältester Neffe heißt Mohammed. Meine Nichte hat ihrem Sohn den Namen ihres Opas gegeben. Wir werden schon dafür sorgen, dass dieser Name nie verschwindet!« zurück.

Anne Roth, Referentin für Netzpolitik der Linkspartei im Bundestag, sagt zu »nd«: »Es gibt deutliche Hinweise, dass offensichtlich rechte Accounts politisch Andersdenkende melden, weil sie ihre Erfolge anschließend posten.« Neben den bekannten Fällen, wie der »Jüdischen Allgemeinen«, seien von den aktuellen Sperrungen »viele andere betroffen, die nicht prominent sind, deren Sperrung nicht rückgängig gemacht wurde«, so Roth. Im Kontext von Wahlen lege »Twitter jetzt gewissermaßen fest, was gesagt werden darf und was nicht«. Aufgrund dieser Misslage beantragte die FDP, Twitter zur Ausschusssitzung am Mittwochnachmittag im Bundestag einzuladen. Der Antrag von LINKEN, Grüne und FDP, diesen Punkt öffentlich zu behandeln, wurde von der Koalition abgelehnt.

Einige Bundestagsabgeordnete, wie Anke Domscheit-Berg (LINKE) und Saskia Esken (SPD), veröffentlichten über den Kurznachrichtendienst, was die Vertreterin des Konzerns, Nina Morschhäuser, zu den Sperrungen in Deutschland sagte. Aus diesen Berichten geht hervor, dass Morschhäuser zu der Annahme, dass Rechte den Meldemechanismus ausnutzen, um politische Gegner*innen mundtot zu machen, sagte, dass Twitter keine politischen Einstellungen seiner Nutzer*innen erfasse und diese Vermutung daher nicht bestätigen könne.

In den USA gab es diese Vermutung allerdings auch. Wie das Online-Magazin »Vice« berichtet, haben hochrangige Twitter-Mitarbeiter dort zugegeben, dass man dann die Accounts von Republikanern sperren müsste, wenn man gegen rechte Hetze vorgehen wolle. Doch weil es dagegen viel Protest geben könnte, gehe man diesen Schritt nicht.

Bei der Ausschusssitzung im Bundestag mahnten mehrere Abgeordnete, dass es mit den Sperrungen so nicht weitergehen könne. Morschhäuser räumte Fehler des Kurznachrichtendiensts ein und entschuldigte sich. Wie Saskia Esken öffentlich machte, erklärte die Twittervertreterin, dass jede Sperrung von einem Menschen entschieden und nicht automatisiert vorgenommen worden wäre. Die Mitarbeiter*innen des Konzerns würden weiter geschult, um Fehler zu vermeiden.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -