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Viraler Antiimp-Opa
Alaskas ehemaliger Senator Mike Gravel will unbequeme linke Kritik in die Fernsehdebatten der US-Demokraten bringen
Mike Gravel war schon links als es noch nicht cool war. Auch heute noch ist der 89-Jährige Stachel im Fleisch des demokratischen Establishments in den USA und begeistert derzeit mit seiner unnachgiebig antiimperialistischen Satire-Präsidentschaftskandidatur das Onlinepublikum. Der linke Querulant war Immobilienunternehmer, Abgeordneter des Parlaments in Alaska und dann von 1969 bis 1980 Senator für den nordwestlichsten US-Bundesstaat.
Bekannt wurde er für seinen Widerstand gegen den Vietnamkrieg und 1971 für das öffentliche Vorlesen der eigentlich geheimen Pentagon-Paper im US-Senat, die die deutliche Kriegsausweitung und die Täuschung von Öffentlichkeit und Parlament durch die US-Regierung dokumentierten. Nach dem Rückzug ins Private als Aktienhändler und Berater, engagierte sich Gravel in den 90er Jahren für mehr direkte Demokratie. 2007 tauchte Gravel wieder in der Politik auf: Als Präsidentschaftskandidat der Demokraten.
Bei den ersten Fernsehdebatten der Demokraten stahl er damals den Favoriten Hillary Clinton und Barrack Obama die Show mit vehementer Kritik am «militärisch industriellen Komplex, der Amerikas politische Kultur kontrolliere und vehementer Irakkriegskritik. Der sei verloren worden »an dem Tag an dem George Bush den Irakkrieg mit betrügerischer Begründung begonnen hat«. Mit ihm werde es keine Präventivkriege, »so wie in den letzten 50 Jahren« geben. Hunderttausende sahen sein YouTube-Wahlkampfvideo »Rock«. In diesem starrt Gravel in die Kamera und wirft dann einen Stein in einen Teich.
Auch dieses Mal will er wieder politisch Welle machen und eine Beteiligung bei den TV-Debatten der Demokraten erreichen, um so erneut unbequeme linke Kritik zu äußern. Das jedenfalls will die Gravel Gang erreichen, eine Gruppe linker Teenager aus New York, die sich Anfang des Jahres an den viralen Querulanten erinnerten. Ohne seinen neuen 17-jährigen Wahlkampfmanager aus der Kleinstadt Westchester bei New York getroffen zu haben, übergab der mittlerweile in Kalifornien lebende Ruheständler seinen Twitter-Account. Die Teenager würden ihn »nur benutzen, aber da habe ich wirklich nichts dagegen«.
Seit März nimmt Gravels Twitter-Account, der ihn mit Sonnenbrille zeigt, kein Blatt vor den Mund und kritisiert die anderen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten scharf. Über den ehemaligen McKinsey-Berater und Bürgermeister der Stadt South Bend, der acht Sprachen spricht, twittert die Gravel Gang: »Sagt was ihr wollt über Pete Buttigieg, aber wenigstens wird das neueste narzistische Produkt unserer Elite-Universitäten, das im Macron-Stil über ein verwahrlosendes Land in Armut und Opioid-Abhängigkeit herrschen wird, norwegisch sprechen, cool«.
Über New Jerseys Senator Cory Booker, der lange Zeit eng mit Wall-Street Lobbyisten und Spendern kooperierte, um dann als Präsidentschaftskandidat eine rhetorische Linkswende vollzog und ein Wahlkampfvideo im Obama-Stil veröffentlichte, twitterte der digitale Gravel nur: »Wollt ihr wissen, wie eine Zukunft unter Cory Booker aussieht? Stellt euch einen Schuh vor, der euch immer wieder ins Gesicht tritt und dabei zwischendurch eine Pause macht, um inspirierende Vorträge darüber zu halten, das wir nie aufhören sollten zu träumen«. Und als Massuchusetts linksliberale Senatorin Elizabeth Warren ihren Plan zur Umstellung des US-Militärs auf erneuerbare Energien verkündete, reagierte Gravel mit einem tausendfach gelikten Tweet. »Verdammt, man muss diesen neuen zentristischen Konsens zur Klimakrise einfach lieben: Grüner Imperialismus ist der neue Hype«.
Ein solides inhaltliches Programm, das etwa das Ende des Dronenkrieges beinhaltet und so scharf ist, wie es sich der in Umfragen Zweitplatzierte Bernie Sanders, der schon jetzt versucht der Demokratenbasis seine Wählbarkeit im Zweikampf gegen Trump zu demonstrieren, aus taktischen Gründen nicht erlauben kann, bietet Gravel auch. In mehreren landesweiten Umfragen hat der Satirekandidat mittlerweile 1 Prozent erhalten bis Juni müssen es mindestens drei sein. Das ist eine Bedingung der Demokraten für die Teilnahme an den Fernsehdebatten der Partei, die Ende Juni starten. Mitte Mai konnte die Gravel Gang auch 35.000 Kleinspender für die Kampagne des linken Urgesteins verkünden. Es fehlen also noch 30.000 monetäre Unterstützer, um auch das zweite Kriterium zu erfüllen.
Ein unbequemes Detail gibt es noch bei Gravel: Er ist ein 9/11 »Truther«, glaubt die Anschläge am 11. September 2001 seien ein Inside-Job gewesen. Sein Teenager-Kampagnenteam dagegen glaubt nicht an diese Verschwörungstheorie. Die sei aus Gravels tiefer Abneigung gegen alles, was nach 9/11 passiert entstanden. Überhaupt seien Personen nicht wichtig, Gravel sei eben wie Sanders einer, der seit Jahrzehnten ansonsten auf der richtigen Seite der Geschichte gestanden habe. Er sei nur ein Vehikel für die linken Positionen der jetzt in die Politik drängenden Generation X, die von immer mehr Ungleichheit und Krieg, den Verhältnissen im Land zu Zynismus und Aktivismus radikalisiert worden sei.
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