Scheitern ist keine Option

Der Kapitalismus hat keine Probleme. Es gibt höchstens welche darin.

Wer heutzutage den Kapitalismus kritisieren will, muss ausgefeilte Argumentationsketten bemühen, um Forderungen nach Änderungen des Wirtschaftssystems zu rechtfertigen. Den Kritikern des Sozialismus dagegen reicht häufig ein einziges Wort: »Venezuela« kann es heißen, »Kuba«, »Nordkorea« oder auch »DDR«. Das soll genügen, stehen diese Ländernamen doch dafür, dass »der Sozialismus bisher immer gescheitert ist«, so dieser Tage der britische Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson. Die Logik dahinter: Der Sozialismus ist schlecht, weil er untergeht, und er geht unter, weil er schlecht ist.

Dass der Sozialismus von allein scheitert, darauf haben sich die NATO-Staaten allerdings nie verlassen wollen. Sie betreiben daher seit Jahrzehnten einen immensen Aufwand, um mittels Geld, Kriegen, Sanktionen, Drohungen und Versprechen dieses Scheitern zu unterstützen. Dass die Sowjetunion erst totgerüstet werden musste, um an ihr Ende zu kommen, ist unstrittig und hat US-Präsident Ronald Reagan den Rang eines Nationalhelden beschert. Dass der Ostblock dieser Konfrontation nicht standgehalten hat, gilt heute als Beweis dafür, dass er scheitern musste, was man ja schon immer gewusst hat.

Bleibt die Frage: Wenn einzelne Länder umstandslos für das Scheitern des Sozialismus stehen, warum steht dann kein Land für das Scheitern des Kapitalismus? Elend, Krieg und Umweltzerstörung produziert er ja auch, ebenso wie eine Reihe »failed states«. Doch aus der Perspektive seiner Fans kann der Kapitalismus gar nicht scheitern, gegen grundsätzliche Kritik haben sie ihn mit vier Glaubenssätzen immunisiert.

Erstens: Wenn der Sozialismus untergeht, weil er schlecht ist, und er schlecht ist, weil er untergeht, dann folgt daraus: Der Kapitalismus ist gut, weil er noch da ist, und er ist noch da, weil er gut ist. Zweitens: Während Elend und Mangel im Sozialismus dem System zuzuschreiben und daher unvermeidbar sind, so sind sie im Kapitalismus Folge einer falschen Politik und daher vermeidbar. Eine Mischung ist die Volksrepublik China, wo alle Erfolge dem Kapitalismus geschuldet sind und alle Misserfolge den Resten des alten Systems, die daher beseitigt gehören.

Drittens: Nicht nur Fehler der Politiker führen zu Armut und Elend im Kapitalismus, häufig sind auch die Individuen schuld, weil sie leistungsschwach sind (Arbeitslose), gierig (Banker), gewissenlos (Manager) oder zu zahlreich (Überbevölkerung). Manchmal liegt es auch am Wetter (Dürre, Flut).

Kurz: Hunger, Not, Klimawandel sind nie Probleme des Kapitalismus, sondern stets Probleme im Kapitalismus, die nur noch ihrer Lösung harren. Und wer das nicht glauben mag, dem sei viertens gesagt, dass der Kapitalismus sowieso alternativlos ist. Schließlich ist »der Sozialismus bisher immer gescheitert«. Stephan Kaufmann

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